Sonntag, 4. Oktober 2015

Raceday No. 7 - Seelauf Essen

Warum ich laufe und warum es als nächstes ein Halbmarathon sein muss, habe ich ja zuletzt ausführlich breitgetreten. Am 8. November ist es beim Martinslauf in Düsseldorf so weit. Ich bin unendlich froh, dass ich mich gegen den Kölnmarathon entschieden habe, nicht nur wegen Köln, sondern weil er einfach schon heute gewesen wäre. 3 Wochen nach dem Triathlon läuft mein Training nämlich noch immer bescheiden. Länger als knapp 10 km bin ich seitdem nicht gelaufen, dazu noch fast 1 min/km langsamer als normalerweise. Trotzdem ist alles anstrengend und weit entfernt von locker. Dazu kommen seit wenigen Tagen Schmerzen in der Achillessehne und im Schienbein - ja ich weiß, da muss man vorsichtig sein!

Und dann steht da auf einmal dieser Seelauf im Kalender, 14,2 km am Essener Baldeneysee. Naomi hatte ihn als Vorbereitung auf den Halbmarathon vorgeschlagen und ich fand die Idee gut - erstens habe ich bisher nur bei drei Läufen überhaupt an der Startlinie gestanden und zweitens war noch kein Rennen länger als 10 km. 14 klang da irgendwie ganz sinnvoll. Damals, als ich mich angemeldet habe.

Nadine, Kati, Maren, Naomi.
Am Samstagmorgen sieht die Sache dank der wenig erfolgversprechenden Trainingsläufe und dem schmerzenden Bein etwas anders aus. Ich rechne damit, den Lauf nach wenigen Kilometern abzubrechen, wenn es gar nicht geht. Sollte ich laufen können, dann peile ich eine Zeit von 1:32:18 an - das wäre exakt eine 6:30er Pace und erscheint mir irgendwie machbar. Eigentlich, wenn da nicht diese fürchterlich langsamen und fürchterlich anstrengenden Trainings gewesen wären.


Vor dem Regattahaus treffe ich Naomi mit ihrer Familie und Kati und Nadine. Instagram-Ruhrpott-Düsseldorf-Girls-Lauftreff quasi, kombiniert mit Laufen gegen Leiden. Yeah! So geht die Wartezeit wenigstens schnell rum, denn natürlich sind wir früh dran - es könnte ja sein, dass die Parkplätze eng werden. Es ist kühl, wirklich viel zu früh und die ersten Kanufahrer wagen sich auf den See. Ich halte das für eine bezaubernde Alternative zum Laufen und möchte am liebsten gleich lospaddeln. Mein Mantra für den Lauf: Ich schaue auf den See. Egal was kommt, ich gucke mir einfach das Wasser an.


Auf einmal stehen wir dann plötzlich an der Startlinie und ich bin immer noch bei: "Mal gucken, was geht - wenn nicht, dann eben nicht." Mit gut 200 Startern ist das Feld überschaubar. Ich kenne die Strecke nicht, habe mir aber sagen lassen, sie sei so schön, dass die Kilometer einfach so verfliegen. Wollen wir doch mal sehen. 

Aus verrückten Gründen bin ich heute übrigens in die AK W55 gerutscht, hätte aber selbst dort nichts reißen können.
Startschuss. Natürlich trabe ich nicht ganz so langsam los, wie ich mir das vorgestellt hatte, aber lasse mich trotzdem zurückfallen und bin bald überzeugt davon, dass hinter mir nicht mehr viele sein können. Ich schließe zu Nadine auf, die eine ähnliche Zielzeit wie ich anpeilt. Zu den anderen aus der Truppe ist der Sichtkontakt abgerissen, also laufen wir zu zweit so vor uns hin. Wir schaffen es tatsächlich, uns ein kleines bisschen zu unterhalten und Kati hat nicht gelogen: die Kilometer verfliegen.

Laufen, unterhalten und dabei noch gut aussehen? Wir üben noch.
Ich verbringe viel Zeit mit Rechnen - so bin ich wenigstens beschäftigt, weil die Uhr nur Puls (will ich gar nicht sehen) und Zeit anzeigt, aber nicht Strecke oder Geschwindigkeit. Nichts tut weh, also will ich bei irgendwas knapp unter 6:30 min/km bleiben. Das klappt auch ganz gut. Bei km 4 denke ich tatsächlich: "Nur noch 10! Läuft!" Im Nachhinein frage ich mich, was an NUR noch 10 positiv war, aber nun ja.

Eine Weile folgen wir dem älteren Herrn mit dem roten Shirt und dem lustigen bunten Stirnband, weil das Tempo passt. So laufen wir fluffig am See entlang. Als uns kurz vor km 6 der Führende entgegen gerannt kommt, überlege ich eine Sekunde lang, ob es auffallen würde, einfach umzudrehen. Am Wendepunkt später merke ich dann: Es wäre nicht aufgefallen, zumindest nicht wegen der Zeitnahme (die gibts nämlich erst im Ziel), sondern höchstens an meiner utopischen Zielzeit. Wir laufen also weiter. Am Getränkestand verliere ich Nadine leider, denn ich will nichts trinken und auch unter gar keinen Umständen bremsen oder gehen. Es geht einen winzigen Hügel rauf und auf einmal bin ich alleine unterwegs.


Der Kollege mit dem roten T-Shirt taucht wieder auf, wir hängen uns an die nächste Gruppe dran und wenden dann so langsam. Jetzt gehts zurück, aber weil es direkt nach dem Start einen Schlenker in die andere Richtung gab, liegt jetzt nicht mehr die halbe Strecke vor mir, sondern etwas weniger. Bei km 9 mache ich den Fehler, an die noch kommenden 5 km zu denken - dieses Mal ist das allerdings nicht so ok wie bei km 4. Die Beine sind schwer. Oh Mann, noch 5? Das dauert ne halbe Stunde, du bist schon fast eine unterwegs! Das Schild für 10 km passiere ich dann bei 1:04:03 - exakt meine Zielzeit vom letzten offiziellen 10-km-Lauf. Na schön. Jetzt also noch 4. Die Energie kehrt irgendwie zurück.


Wieder am Getränkestand verliere ich meine Truppe und bin die letzten 4 km alleine unterwegs. Zwischen den Bäumen da hinten am Ufer müsste das Ziel sein. Noch ganz schön weit weg und keiner mehr da, der mich zieht. Nachdem der 9. km der langsamste war, folgen jetzt die vier schnellsten des Laufs (abgesehen vom ersten): Es läuft irgendwie. Ich merke das Schienbein, aber es ist auszuhalten. Bei km 12 fängt die Sehne an, sich etwas zu beschweren, aber bitte, jetzt sind wir auch gleich da. Vor mir gehen zwei Läuferinnen und ich will irgendwas Motivierendes rufen, aber dann traben sie schon wieder los und ich bin schon vorbei. Ich schiele auf die Uhr und stelle fest, dass es noch was unter 1:30 werden könnte, wenn ich mich ein kleines bisschen beeile. Ein kleiner Junge zeigt auf einen Hügel mitten im Nichts - da soll ich hoch? Ach du scheiße. Sieht zum Glück schlimmer aus, als es ist und geht schnell vorbei. Schon bin ich auf dem Parkplatz vor dem Regattahaus und kann bis zum Ziel nochmal etwas Gas geben. 

Ich bin da! 1:29:29 steht auf der Urkunde. Damit hätte ich vorher im Leben nicht gerechnet, weder mit der Zeit, noch damit, dass es verhältnismäßig leicht werden würde. Während des Laufs habe ich keinen Moment ernsthaft ans Gehen oder Aufhören gedacht und am Ende war noch Energie da, um das Tempo anzuziehen. Im Training sieht das so oft anders aus und gerade deshalb bin ich froh, den Testlauf eingebaut zu haben. In 5 Wochen muss ich auf diese Distanz noch 7 km drauflegen - wie das klappen soll, ist mir im Moment noch ein Rätsel. Den einen oder anderen längeren und langsamen Lauf werde ich im Training noch einbauen und dann: mal sehen, was geht.

Mein Vater ist auch gestartet, ebenfalls als Testlauf vor dem HM. 3 1/2 Minuten vor mir ist er ins Ziel gekommen.
Fazit: der vom Team Essen 99 organisierte Seelauf lohnt sich. Die Strecke ist schön, wenn auch nicht abgesperrt, aber das macht nichts. Die Streckenposten weisen motivierend und freundlich den Weg - hat man ja auch nicht überall. Das "begehrte Frühstücksbuffet" ist für den tendenziell eher gesund essenden Läufer nichts (weiße Brötchen, Wurst, Käse), die Livemusik und der ins Mikro schreiende Moderator sind auch eher anstrengend - aber der See entschädigt alles. Auch wenn er natürlich nicht die ganze Zeit über zu sehen ist, finde ich die Strecke angenehm - obwohl es sehr lange geradeaus geht und Schotter und Asphalt sich abwechseln. Will ich für 2016 unbedingt im Hinterkopf behalten - am Feiertag hat man ja sowieso nichts anderes zu tun.

Unheimliches Glück hatten wir mit dem Wetter und den Menschen - mal sonnig, mal bewölkt, zwischen 10 und 15° - absolut perfektes Laufwetter. Die Insta-Crew nehme ich ab sofort am liebsten überall mit hin, war nett mit euch! Das Schöne: Jeder von uns war überrascht über die eigene Zeit. Besser gehts doch nicht, von daher: Glückwunsch an euch!