Mittwoch, 29. März 2017

Raceday No. 31 - Winterlaufserie Duisburg Halbmarathon - 2017

Ich habs ja eigentlich echt nicht so mit langfristigen Plänen. Trotzdem stand für mich seit Oktober letzten Jahres fest, dass es der Halbmarathon bei der Winterlaufserie in Duisburg wird, den ich zum ersten Mal unter zwei Stunden laufen werde. Nachdem sich der Rhein City Run im Nachhinein wie ein Desaster angefühlt hat (aber dann doch auch "nur" 2:02:06 Stunden gedauert hat), soll in Duisburg die 2-Stunden-Marke fallen. Weil ich weiß, dass ich das theoretisch kann, weil die Bedingungen nur passen müssen und weil ich die Strecke mag. Vor einem Jahr bin ich hier meinen bisher schönsten Halbmarathon gelaufen - die damalige Bestzeit von 2:13:32 ist zwar mittlerweile längst überholt, aber den Lauf habe ich immernoch in schöner Erinnerung, weil einfach alles gepasst hat. Keine Wanderungen ab Kilometer 15, keine Zweifel, kein gar nichts. Wo, wenn nicht in Duisburg sollte ich also die zwei Stunden angreifen?


Die Generalprobe hab ich schon mal verkackt: Der 15er vor drei Wochen lief verdammt bescheiden. Blöderweise habe ich auch gar keine Zeit, diesen Halbmarathon in irgendeiner fluffigen Pace zu laufen, denn ich hatte die fixe Idee, mich zum Cyclocross Race auf der Düsseldorfer Cyclingworld anzumelden. Aus dem einfachen Grund, dass ein paar Tage vorher nur eine einzige Frau (neben 28 Kerlen) auf der Startliste stand und ich ja nun auch etwas Cross-Luft geschnuppert habe. Blöd nur, dass die Startzeit mit 18:15 Uhr ziemlich eng an meiner angepeilten Zielzeit des Laufs liegt: 17:00 Uhr - und das auch nur, wenn ich die zwei Stunden schaffe. Wir können jetzt über Scheißhausideen und Prioritäten und Fear of missing out sprechen, aber wir können es auch lassen - ich hab mir das Cross-Rennen in den Kopf gesetzt und damit absurderweise für den Halbmarathon nicht etwa mehr Druck aufgebaut, sondern ihn im Gegenteil komplett raus genommen. Klar - für 2:30 Stunden oder ähnliche Späße habe ich keine Zeit, aber ob ich jetzt 1:59:59 oder 2:05:00 laufe, ist mir auf einmal ziemlich egal. Je schneller ich bin, desto länger ist die Pause bis zum Radfahren... und desto größer auch die Erschöpfung, also: ein schmaler Grat, aber die exakte Zeit ist plötzlich nicht mehr so wichtig.

Jan Fitschen lässt sich erklären, wie das mit dem Startschuss funktioniert
An der Startlinie würde ich gerne vorspulen zum nächsten Rennen. Aber den Lauf ausfallen zu lassen, kommt auch nicht in die Tüte - selbstgewähltes Leid und so. Wenn ich die zwei Stunden knacken wollte, müsste ich 5:40 min/km laufen. Die Zwischenzeiten für 5, 10 und 15 km habe ich mir eingeprägt. Die oberste Priorität ist es dieses Mal, nicht zu übertreiben: nicht zu schnell loslaufen, nicht einbrechen, nicht die Beine zu sehr kaputt machen. Also zur Abwechslung mal so richtig vernünftig. Die ersten beiden Kilometer sind mit ungefähr 5:30 min/km zu flott, aber auf dem dritten pendele ich mich ein und halte das Tempo bis zum Verpflegungsstand bei Kilometer acht ohne Probleme. Es ist ganz schön warm, aber die Beine fühlen sich gut an, der Kopf ist bei der Sache und das Konditionsproblem des 15ers wird nicht zum Konditionsproblem des Halbmarathons. Fein.


Ein stechender Schmerz in der Leiste holt mich aus der schönen Glitzerfantasiewelt zurück in die Duisburger Realität. Nach nur neun Kilometern habe ich Schmerzen, die ich noch nicht kenne und die das Laufen im aktuellen Tempo unmöglich machen. Geil. Ich drücke mir eine Faust in die Leistengegend, weil das ja bei Seitenstichen weiter oben auch manchmal hilft und zwinge mich dazu, weiter zu traben. Bloß nicht gehen, weil ich dann nie wieder loslaufen würde, also schön in Bewegung bleiben, vorsichtig zwar, aber bitte laufend. Wenn der Körper so urplötzlich mitten im Rennen etwas völlig neues Schmerzhaftes präsentiert, weiß ich erst mal nicht so genau, wie ich damit umgehen soll. Alte Bekannte sind ja die Achillessehne, die Kniekehle oder hier und da Kleinigkeiten, von denen ich genau weiß, wie sie sich anfühlen, wenn sie akut und schlimm sind oder wenn sie nur lästig sind und sich weglaufen lassen.

Dieser Schmerz und ich, wir sind uns völlig fremd, aber wir lernen uns auf den nächsten vier Kilometern näher kennen. Ich spüre ihn bei jedem Schritt. Er setzt mir ganz schön zu und schraubt das Tempo massiv runter, aber so lange traben noch geht, werde ich traben. Bei Kilometer elf dann für einen Moment der Lichtblick: schmerzfrei! Ach nee, doch nicht. Aber immerhin drei, vier Schritte. Also weiter traben. Mit dem neuen, pieksenden Begleiter. Die Zähne (im übertragenen Sinn) zusammenbeißen, das schmerzverzerrte Gesicht in regelmäßigen Abständen zu einem Lächeln zwingen (zum Glück muss ich diesen grotesken Anblick selbst nicht sehen) und weiter machen. Bis zu Kilometer 13, als schlagartig nichts mehr sticht, zwickt oder zwackt. Ich traue dem Braten noch nicht so ganz, das Spielchen hatten wir eben auch schon mal. Deshalb will ich nichts überstürzen und bloß nicht riskieren, dass der Spaß gleich zurück kommt und ich aufgeben muss - immerhin würde die Strecke mit ihren vielen Schleifen um die Regattabahn sich dazu anbieten. Der Schmerz kommt nicht zurück. Ich bin halbwegs erholt von vier lockeren Kilometern und traue mich endlich, die Geschwindigkeit wieder anzuziehen. Ich liege etwas hinter meinem Zeitplan, aber will auf keinen Fall jetzt zu viel Tempo machen - es sind noch acht Kilometer.

Vor der Getränkestation bei Kilometer 15 nehme ich ein zweites Gel und trinke einen Becher Wasser im Gehen. Ruhig bleiben. Danach geht es zurück auf die Strecke entlang der Regattabahn. Links vom Wasser sind langsamere Läufer, rechts schnellere, vor mir eine riesige Masse bunter Punkte. Die Sonne knallt, der Himmel ist blau, die Regattabahn ist auch blau und außerdem still, riesig und wunderschön. Wie sie einfach nur da liegt und wartet. Ich will anhalten, um ein Foto zu machen, aber sauge das Bild dann doch lieber nur im Kopf auf. Wie schön es hier ist. Winterlaufserie mit kurzer Hose, Tanktop und Sonnenbrille. Yeah!

Endlich mal Kathrin (@triathlon_trail_travel) im echten Leben getroffen :)
Ich trinke noch einmal im Wald bei Kilometer 18 und bleibe dazu dieses Mal sogar stehen, weil nicht ein einziger gefüllter Becher auf dem Tisch steht - kein Wunder bei 15° und Sonne. Ich schiele auf die Uhr und weiß, dass es knapp wird. Wenn das mit der sub2 dieses Mal wieder nichts wird, muss ich ja noch einen sechsten Halbmarathon laufen und es nochmal probieren. Och nee. Wenn ich jetzt die Beine in die Hand nähme und ins Ziel rennen würde ... Der Wald spuckt mich bei Kilometer 19 wieder aus, zurück an die Regattabahn. Gegenwind vom Feinsten empfängt mich und nimmt mir die Entscheidung ab. Nein. Das wird heute nichts. Da ist nichts, was mich antreibt, den Rückstand noch aufzuholen. Das ärgert mich nicht mal, es ist völlig ok. Ich muss genug beißen auf den letzten zwei Kilometern, der Wind ist echt nicht von schlechtern Eltern. Es ist sehr gut, dass ich den groben Plan mit "um die zwei Stunden" einhalten kann, aber unter den Bedingungen bin ich sogar mit dem exakten Ergebnis zufrieden: 2:00:38. Neue Bestzeit. 13 Minuten weniger als vor einem Jahr.


Es sind 38 Sekunden, die mich ganz ehrlich nicht ärgern. Ich finde sie eher amüsant, weil ich weiß, dass ich sie hätte rausholen können - Konjunktiv. Alles, was jetzt kommt, sind Ausreden: Wären die Schmerzen nicht gewesen, wäre der Wind weniger gewesen, der Ehrgeiz größer. Aber all das war genau so, wie es eben war und so ist es in Ordnung. Zwischen Kilometer 13 und 15, als der Schmerz gerade nachgelassen hatte, habe ich intensiv darüber nachgedacht, warum ich das eigentlich mache. Nicht im Sinne von "Warum tust du dir das bloß an?", sondern aus reiner Neugierde.

Warum laufe ich eigentlich noch, wenn das Herz so sehr am Radfahren hängt? Wenn mir Zeiten gar nicht so wahnsinnig viel bedeuten? Das hier ist keine abschließende Analyse, aber zum einen bin ich einfach immer noch selbst überrascht, dass ich das kann. Ein anderer wichtiger Punkt ist: Ich kann bei keinem anderen Sport so sehr in mich hinein hören wie beim Laufen. Ich habe das Gefühl, dass ich inzwischen ganz anders mit mir selbst kommuniziere, einmal auf der mentalen Ebene (keine negativen Gedanken beim Laufen mehr), aber auch im Bezug auf das Körpergefühl. Ich bemerke Dinge, die mir vorher entgangen sind und habe insgesamt ein viel besseres Gespür dafür, was eigentlich mit diesem Körper gerade so los ist. Was er kann, was er nicht kann, was ihm gerade gut tut und was keine gute Idee ist. Die Ebene, auf der das stattfindet, ist eine komplett andere, als ich bisher kannte. Die ist auf dem Sofa definitiv nicht zu erreichen.

Direkt nach der Ziellinie abgefangen und geknipst von Julia von triathlongeflüster. Danke!
Das Ganze funktioniert für mich am besten, indem wir nicht gegeneinander, sondern zusammen arbeiten. Da ist ein neuer Schmerz - okay. Er ist nicht mein Feind, ich ignoriere ihn nicht, sondern ich höre in mich hinein, mache weiter, so gut es geht, beobachte und warte, was passiert. Hätte ich bei Kilometer neun daran gedacht, wie es wäre, noch weitere 12 Kilometer unter Schmerzen zu laufen, hätte ich keinen einzigen Schritt mehr vorwärts gemacht. So bin ich nur 38 bzw. 39 Sekunden an der Wunschzeit vorbei gerauscht. Wie wertvoll ist es eigentlich, genau das durchs Laufen zu lernen?

Der zweite Teil dieses Renntages war voller Dreck, Staub und Herzblut. Und er kommt bald!

Mittwoch, 22. März 2017

Rapha Braver Than The Elements - Spring Edition - Düsseldorf

Wenn du als Radfahrer im März Strava oder Instagram aufmachst, kommst du nicht drum herum: Mallorca. Jeder fährt ins Trainingslager, reißt Wochenkilometer und Höhenmeter ab, die andere im Monat nicht fahren und postet traumhafte Bilder, die bei den Daheimgebliebenen das Fernweh entfachen. Blauer Himmel, blaues Meer, grüne Wiesen, endlose Straßen, die typischen Steinmauern, Ziegen am Cap Formentor. Während die einen also in kurz/kurz die ersten Tanlines des Jahres pflegen, bleiben die anderen hier und nehmen, was kommt.


Das ist in dieser Stadt in diesem Jahr so einiges, aber erst einmal: Kälte, Regen, Wind. Wir könnten auf der Rolle trainieren, wir könnten laufen gehen, ins Fitnessstudio oder irgendwo anders hin, wo es warm ist. In die Sauna zum Beispiel. Wer tapfer ist, radelt. Trotzdem oder gerade deshalb. Es gibt eine Chance, der winterlichen Öde zu entfliehen, und sie liegt draußen vor der Tür. Du kannst den Wetterbericht noch so oft checken, aber es ist müßig. Das Geheimnis für gute Laune ist: Nimm die Dinge hin, die du sowieso nicht ändern kannst. Verabrede dich mit Leidensgenossen Gleichgesinnten und mach das Beste draus. So simpel. So gut.



Es ist wieder Zeit für Braver Than The Elements. Nachdem wir im Dezember wirklich Glück hatten und die Runde uns nicht besonders viel Tapferkeit abverlangt hat, sieht es jetzt im März bei der Frühjahrsausgabe etwas anders aus. Acht Grad. Nieselregen. Normaler Regen. Platzregen. Windböen. Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür schicken würde. Könnte auch ein Herbsttag sein, viel zu ungemütlich zum Drachen steigen Lassen, aber perfekt für einen Nachmittag unter einer Decke auf der Couch. Mit Kakao und einem guten Buch. Aus irgendeinem Grund packe ich mich nicht in eine Fleecedecke, sondern in verschiedene Schichten Funktionskleidung und sitze auf einmal auf dem Rad. Jeder, der hier ist, zweifelt kurz an der eigenen Zurechnungsfähigkeit. Und an der der anderen. Die Gruppe ist klein, aber immerhin neun Entschlossene finden sich am Düsseldorfer Marktplatz ein. Es steht die Frage im Raum, ob wir die geplante lange Strecke wegen der wirklich alles andere als einladenden Bedingungen abkürzen. Kollektives Schulterzucken. Jetzt sind wir schon mal hier. Wir beschließen, erst mal aus der Stadt raus zu rollen und dann weiter zu sehen. Nach Norden. Immer der Nase nach. Dem Wetter die Stirn bieten.





An solchen Tagen ist es das Beste, keine Pläne zu machen. Niemand nimmt sich vor, 90 Kilometer durch strömenden Regen, Dreck und Wind zu fahren. Es passiert einfach. Es passiert in der Gruppe, niemals allein. Es passiert, weil es irgendwann egal ist, wenn du einmal draußen bist. Weil die Gelassenheit Oberhand gewinnt. Weil wir zwar die Umstände nicht ändern können, uns aber davon nicht beeindrucken lassen. Wenn du die Brille absetzen musst, weil du vor lauter Matschspritzern nichts mehr siehst, wenn du zwar bis auf die Haut nass bist, aber trotzdem warm bleibst, wenn der Dreck zwischen den Zähnen knirscht, wenn du Pfützen nicht mehr umkurvst, sondern mitten durch fährst, wenn dir der kalte Regen Nadelstiche ins Gesicht setzt, die dich anspornen, schneller zu fahren, wenn du die erste rutschige Abfahrt mit einer Mischung aus Vorsicht und Nervenkitzel nimmst und dem Material schließlich immer mehr vertraust, wenn dir Tropfen von der Nase perlen und du nicht weißt, ob sie Regen oder Schweiß sind, wenn du gleichzeitig lachen und weinen möchtest, weil es so schrecklich schön ist, wenn du zum Nebenmann rüber schaust und ein gesprenkeltes, aber glückliches Gesicht siehst - das ist Radfahren.








Es sind Aktionen wie diese, für die es nur einen Anlass, das passende Setting und einen kollektiven Anflug von Wahnsinn braucht, damit aus Fremden ein Team wird, damit Bekannte zu Freunden werden, damit eine Ausfahrt legendär wird. Niemand wird in ein paar Monaten sagen: "Weißt du noch, diese eine Tour, wo die ganze Zeit die Sonne schien?" - "Welche von den 527, die wir gemacht haben?" Natürlich erinnern wir uns auch gern an die Bilderbuch-Momente. Aber die wahren Geschichten schreibt der Radsport - nicht nur bei den Frühjahrsklassikern, sondern auch bei Braver Than The Elements - unter widrigsten Bedingungen. Weil sie zusammenschweißen. Weil es dann letztendlich egal ist, ob du nach Sa Calobra oder Mülheim an der Ruhr fährst, wenn du die richtige Einstellung und das beste Team um dich herum hast.







Danke Rapha für den Anlass, danke Steffen Weigold für die Strecke und die Fotos. Noch mehr Bilder gibts hier. Schaut rein, es gibt noch viele schöne dreckige Gesichter zu sehen. Auch dreckige Ärsche (angezogen) und nackte Füße. True Story!






Freitag, 17. März 2017

Raceday No. 30 - Winterlaufserie Duisburg 15 km - 2017

Es gibt Läufe, da fällt mir auch 14 Tage später noch nicht ein, was ich darüber sagen möchte. Am liebsten würde ich den zweiten Teil der Duisburger Winterlaufserie totschweigen, nie wieder ein Wort darüber verlieren. 15 Kilometer? Sind nie passiert. Doch es gibt Zeugen. Und außerdem gehört es ja nun mal dazu, dass nicht immer alles wie am Schnürchen läuft.

Duisburg, 4. März, zweiter Lauf der Winterlaufserie. 15 Kilometer. Eine garstige Länge, weil man sie nicht so schnell angehen darf wie einen 10er, aber auch nicht so langsam wie einen Halbmarathon. Die Strecke bin ich erst einmal im Wettkampf gelaufen, vor genau einem Jahr am gleichen Ort. Dass die Zeit aus 2016 von 1:34:nochwas zu schlagen sein sollte, ist mir klar, aber ein konkretes Ziel habe ich nicht formuliert. Eigentlich müssten 1:25:00 drin sein, aber ich hatte in den letzten Wochen Probleme mit der Achillessehne, habe kaum trainiert und weiß deshalb nicht mal, ob die Strecke nicht viel zu weit ist. Ich nehme mir vor: Wenn die Sehne schmerzt, ist Schluss. Bloß nichts riskieren, nicht für einen blöden 15er, nicht zu Beginn der Saison. Vernünftigerweise natürlich nie.


Ich habe nicht nur keinen konkreten Plan, sondern auch akut keine Lust. Ich beschließe, zusammen mit Lena zu laufen, die ich eigentlich nur aus diesem Internet und vom ersten Lauf der Serie kenne. Den hatte sie locker flockig quatschend mit Julia verbracht und genau so was schwebt mir für heute auch vor. Beim Überqueren der Startlinie bescheinigt uns der Kommentator puren Anmut. Ich weiß nicht, ob ich angesichts dieser dreisten Lüge lachen oder weinen soll, also laufen wir erst mal weiter. Und schweigen uns an. Nach einem Kilometer stelle ich fest, dass es verdammt warm ist. Ich hätte ein Top und kein T-Shirt anziehen sollen und die Kompressionssocken waren auch nicht gerade die beste Idee des Tages. Noch 14 Kilometer und meine Füße sind schon jetzt heiß. Die Schuhfrage ist auch noch so ein Thema: Ich stelle zurzeit von (leicht) gestützten auf neutrale Laufschuhe um und bin seit kurzem mit dem Asics Pursue 3 unterwegs - und normalerweise auch zufrieden. Leider ist der im Fersenbereich relativ hoch gebaut und drückt etwas mehr auf die vor kurzem angeschlagene Sehne als der 361° Sensation 2, den ich bisher nur einmal für 10 Kilometer gelaufen bin. Der ist zwar wieder ein gestützer Schuh, aber dafür schön leicht und hinten niedriger. Die Wahl fällt also auf den Sensation, obwohl der Pursue abgesehen vom möglichen Druck auf die Sehne die sicherere Nummer wäre.

Nach drei Kilometern wird das Schweigen langsam unangenehm. Wir sind ganz gut in Lenas Plan, ungefähr mit 5:40 min/km zu starten, aber keiner erzählt was. Wir versichern uns, dass das am Tempo und nicht an eventuellen Unsympathien liegt. Gut. Weiter gehts. Die Geschwindigkeit ist für mich alles andere als locker, aber der Fuß ist ruhig und deshalb will ich erst einmal nichts verändern. Weiter laufen. Schweigend neben Lena. Heute fliegen die Kilometer ganz und gar nicht vorbei. Ich sehne das nächste Schild herbei, dann wieder das nächste. Meine Füße kochen. Ich würde am liebsten die Socken ausziehen. Jetzt.


Irgendwo zwischen Kilometer 7 und 8 gibt es einen Getränkestand. Wasser ist gut. Für den Moment. Danach gehts genauso weiter wie vorher, im Kopf läuft permanent irgendwas mit "mimimi" ab und der einzige Grund, weshalb ich noch laufe und nicht wandere, ist Lena. Inzwischen gehen mir nicht nur die Temperaturen und das Tempo auf den Wecker, sondern auch noch die Läufer um mich herum, die knapp überholen, direkt vor uns einscheren und plötzlich im Weg sind. Oder die einen maximal fragwürdigen Laufstil haben und schon durch pure Anwesenheit nerven. Schlechte Laune aus der Hölle. Dazu kommt der unebene Waldboden mit Wurzeln, kleinen Steinen und großen Steinen. Die Achillessehne findet das gar nicht mehr so spaßig. Ich auch nicht. Als Lena mir die Geschwindigkeit verrät und ich beim Schild für Kilometer 9 auf die Uhr schaue und auch grob überschlage, kann ich nicht glauben, dass ich mit der gleichen Pace im Oktober noch einen Halbmarathon gelaufen bin.

Nachdem ich seit dem Verpflegungspunkt darüber nachgedacht habe, wie ich Lena beibringe, dass sie besser alleine weiter läuft und ich nicht mehr kann, nicht mehr will und überhaupt, kommt die Rettung bei Kilometer 10. Naomi taucht neben uns auf. Ich sehe sie nicht, weil ich in irgendeiner Traumwelt versunken zur anderen Seite auf den See schaue, um möglichst wenig nachdenken zu müssen. Lena entdeckt sie aber sofort und will sie aufsammeln, weil sie nicht mehr allzu frisch aussieht. Genau wie ich, willkommen im Club. Naomi murmelt, sie habe gehofft, wir würden sie einholen und trabt unwillig mit uns weiter. Wir lassen Lena endlich ziehen und verbünden uns gegen das Aufgeben.


Ob wir uns damit einen Gefallen tun, weiß ich nicht. Mein Fuß macht sich noch immer bemerkbar und Naomi klagt über Magenschmerzen. Sie will gehen, ich soll alleine weiter. Ich kann nicht, weil ich weiß, dass ich dann auch aufhören würde. Stattdessen ordne ich an, dass wir beide laufen, und zwar so langsam, wie es eben geht, Hauptsache wir laufen. In irgendeinem Tempo, das gerade eben schneller als gehen ist. Ich frage mich, ob das gut ist, ob das nicht selten dämlich ist, was wir hier machen, ob wir nicht abbrechen sollten. Die letzten 5 Kilometer zurück spazieren. Es fällt mir schwer zu entscheiden, ob es unvernünftig ist, mit dem Fuß weiter zu laufen, oder ob die Schmerzen vielleicht gar nicht so schlimm sind und der Schweinehund sie nur unnötig aufbauscht. Als Vorwand zum Gehen. Ich beschließe, dass ich schon spüren würde, wenn es ernst wäre, dass es sich dann anders anfühlen würde, dass Laufen noch weniger möglich wäre. Dass ich nicht drüber nachdenken würde, mir keine Ausreden zurecht legen würde, sondern den Ernst der Lage erkennen würde. Ich denke, der Schweinehund spielt mir einen Streich und ich bin drauf und dran, darauf rein zu falllen. Das größte Problem ist heute nicht die Achillessehne, auch nicht die Kondition, die gefühlt nicht vorhanden ist, sondern mal wieder der Kopf. Ich will einfach nicht.

Naomi auch nicht. Aber zusammen müssen wir. Was machen wir, wenn einer wirklich gar nicht mehr kann? Wenn ihr Magen oder mein Fuß komplett streiken? Oder wenn es einem von uns gleich schlagartig besser geht? Überlassen wir den anderen dann seinem Schicksal? Wir bestätigen uns, dass es wirklich für keinen gerade schneller geht und erinnern uns an den 10er im November beim Martinslauf, als wir die 50 Minuten knacken wollten und stattdessen zusammen mit Hängen und Würgen gerade so eben ohne Gehen durchgekommen sind. Haha. Immerhin können wir wieder reden, es dreht sich um Waschmaschinen und Umzüge und so schlimm kann das hier doch alles gar nicht sein.


Zwei Kilometer vor dem Ziel stelle ich fest, dass ich schneller als im Vorjahr wäre, selbst wenn ich ab jetzt zügig gehen würde. Mit dem Gedanken im Hinterkopf wird der Rest zwar nicht schöner, aber ein bisschen erträglicher. Wenn wir uns bis hier hin durchgebissen haben, schaffen wir das letzte Stück auch noch. Ich vermisse den nervigen Schlenker durch den Wald, der beim 10er auf dem vorletzten Kilometer eingebaut war - beim 15er ist er offenbar nicht nötig, was ich erst mal für einen Fehler halte, dann aber erfreut hinnehme. Sehr schön. Noch ein Kilometer. Irgendwie schaffen wir es durch Zauberei, vom Schlurfen wieder etwas mehr in die Nähe von Laufen zu gelangen.


Dass man die Stadionrunde am Ende besser nicht unterschätzt, habe ich schon beim 10er gelernt - wir traben also weiter bis zur letzten Geraden, als ich vor uns eine Läuferin entdecke, die mir vorhin im Wald mehrfach direkt vor die Füße gesprungen ist und die ich am liebsten gefressen hätte. Die würde ich jetzt ja gern noch einholen. Kurze Rücksprache mit Naomi, wie es mit einem Zielsprint aussieht und dann ab dafür. Nach dieser eher kläglichen Vorstellung haben wir unseren Hahner-Moment mit gemeinsamem Zieleinlauf nach 01:28:49. Knapp vor der rücksichtslosen Tante, was aber auch vollkommen egal ist - das Wichtigte ist: Wir sind vielleicht nicht stolz drauf, aber trotzdem zufrieden, wie es unter den Umständen gelaufen ist. Was wir daraus gemacht haben, dass wir nicht aufgegeben haben. Dass wir dran geblieben sind, auch wenn es alles andere als schön war. Die wichtigsten Lektionen heute sind: Erstens: Auch wenn jeder sein Rennen läut, manchmal geht es einfach nicht allein. Deshalb danke an die hervorragenden Racing Buddies Lena und Naomi. Zweitens: Beißen lohnt sich. Calm seas don't make good sailors. Beim nächsten Mal werden wir wieder besser segeln.


Mittwoch, 8. März 2017

Kooperationen: wieso, weshalb warum? Mehr Transparenz, bitte!

Manchmal möchte ich Dinge erklären, nach denen gar keiner gefragt hat. Manchmal ist das sicher Quatsch - aber in diesem Fall glaube ich, es kann nicht schaden, alle auf den gleichen Stand zu bringen. Ich habe bei Unterhaltungen im Freundes- und Bekanntenkreis festgestellt, dass das Wissen zum Thema Blogger und Zusammenarbeit mit Unternehmen doch sehr unterschiedlich ist. Weil mir wichtig ist, dass meine Leser (also du!) wissen, wie ich dazu stehe und vor allem, warum, möchte ich dazu einmal meine Sicht schildern.

Für wen schreibe ich eigentlich?

2014 habe ich angefangen zu laufen und gleichzeitig jeden Schritt - egal ob vorwärts oder rückwärts - hier zu dokumentieren. Am Anfang als Verpflichtung für mich selbst, weil gute Vorhaben sich oftmals leichter umsetzen lassen, wenn man sie laut ausspricht und weil etwas sozialer Druck in dem Fall auch nicht schaden konnte. Ich habe also in erster Linie für mich geschrieben. Und das mache ich immer noch häufig - vor allem nach Rennen, nach denen ich unzufrieden bin und nicht so recht weiß, warum, hilft mir das Schreiben, meine Gedanken zu sortieren, mir eine Meinung zu bilden, eine Verbesserungsstrategie fürs nächste Mal auszuhecken. Ich liebe es, zu schreiben und ich brauche das - zum Kopf frei kriegen, um mir über Dinge klar zu werden, und manchmal einfach nur, weil ich gern mit Buchstaben jongliere. Wenn ich nicht schreiben würde, wäre ich nicht komplett.

Ich schreibe aber schon lange nicht mehr nur für mich - wahrscheinlich habe ich das nie gemacht, weil meine Geschichte von Anfang an öffentlich war - seit dem Entschluss, Laufschuhe zu kaufen. Jeder kann hier mitlesen: Familie, Freunde, Bekannte, Kollegen, Internet-Bekanntschaften, Leute die mich mögen, Leute, die mich nicht mögen. Ich schreibe also auch für dich. Vielleicht, weil du zufällig auf irgendeinem Social-Media-Kanal über mich gestolpert bist, weil du vielleicht einen ähnlichen Weg gehst, weil du Ratschläge oder Erfahrungsberichte suchst. Vielleicht kennen wir uns aber auch schon seit Ewigkeiten, vielleicht bist du neugierig, wie meine Geschichte weiter geht. Vielleicht bist du auch missgünstig und hoffst, dass endlich mal was so richtig schief läuft - ich weiß es ja nicht, vielleicht. Vielleicht interessierst du dich auch gar nicht so brennend für Sport, vielleicht auch nicht für mich, vielleicht magst du einfach nur meinen Schreibstil und findest meine Artikel unterhaltsam.

Ich schreibe also für mich. Und ich schreibe für dich. Inzwischen schreibe ich auch für Unternehmen. Nicht immer, aber manchmal. Sponsored Posts entstehen in Kooperation mit Firmen - entweder, weil sie mich oder ich sie kontaktiert habe. Unternehmen profitieren von Links auf ihre Website - gut für die Suchmaschinenoptimierung und gut, wenn Menschen den Links folgen und sich für Produkte oder Veranstaltungen interessieren. Oder wenigstens schon einmal davon gehört haben. Diese Artikel sind üblicherweise vergütet, das heißt, ich stelle sie dem Kooperationspartner in Rechnung. Dass ich für eine Berichterstattung Geld bekomme, heißt nicht, dass jemand anderes den Inhalt des Artikels bestimmt. Was genau ich schreibe, entscheide ich selbst. Man könnte sagen: Die Tatsache, dass ich über etwas schreibe, ist käuflich - aber das Wie nicht. Denn wenn jemand möchte, dass ich Laufschuhe teste und davon erzähle, dann kann es auch vorkommen, dass ich die Schuhe beschissen finde.

Eingerahmt zwischen Werbebannern beim Rad Race Battle 2016 in Hamburg. Das Foto hat Christian Siedler für mich gemacht.

Was du wissen sollst

Dieses Vorgehen - also etwas zu bekommen und darüber zu berichten - ist schon ziemlich alt und vom Journalismus übrigens gar nicht so weit entfernt, wie es auf den ersten Blick aussieht: Früher habe ich oft Konzertberichte geschrieben (Verrisse übrigens noch lieber als Lobhudeleien). Im Gegenzug gab es zwei Gästelistenplätze und eine Fotoerlaubnis. Hätte ich das damals nicht gemacht, wären meine Wände wohl in einem anderen Ausmaß mit Konzertkarten tapeziert, hätte ich sehr viele Bands noch nicht von der Muss-ich-in-diesem-Leben-noch-live-sehen-Liste streichen können und würde ich nicht wissen, wie es sich anfühlt, voller Adrenalin mit dem Herzschlag im Takt der wummernden Bässe im Fotograben zu stehen, wenn das Licht ausgeht. Ich bin verdammt froh, dass ich das erleben durfte.

Zurück zum Blog und für wen ich schreibe. Wichtig ist mir dabei: Alle drei Bereiche überschneiden sich. Ich schreibe niemals nur für mich, sondern habe mögliche Leser immer im Hinterkopf. Du wirst hier auch niemals einen Artikel lesen, der nur unterhaltsam ist und aus dem ich für mich selbst nichts mitnehmen konnte, in dem nichts Persönliches von mir drinsteckt. Und es wird auch keinen Artikel geben, nur um einem Unternehmen (oder meinem Konto) einen Gefallen zu tun, der völlig an mir oder dir vorbei geht. Ich wähle also sehr genau aus, worüber ich schreiben möchte und worüber nicht. Wie ich dann etwas bewerte, was ich für ein Fazit ziehe - das bleibt meine unabhängige Entscheidung.

Neben einer kurzfristigen Zusammenarbeit gibt es auch längerfristige Projekte, wie beispielsweise im letzten Jahr mit Velothon und Cyclassics und in diesem Jahr ab sofort mit SiS - Science in Sport. Zum sich-benutzen-Lassen als Markenbotschafter gibt es sehr geteilte Meinungen. In der Bewerbungsphase für die Asics Frontrunner beispielsweise habe ich Kommentare gelesen, die jenseits von Gut und Böse waren. Wahrscheinlich ist es etwas kurz gedacht, den Kritikern puren Neid zu unterstellen. Mit Sicherheit haben die Bedenkenträger nicht ganz Unrecht, wenn sie meinen, dass Marken davon oftmals stärker profitieren als die Botschafter, die ein Paar Laufschuhe, Startplätze oder Energy Gels bekommen. Dennoch sehe ich in solchen Modellen auch eine Chance: auf Unterstützung für Training oder Wettkampf, Kontakte online und offline, Erlebnisse, etwas Neues auszuprobieren. Wichtig ist, dass man hinter dem stehen kann, was man da in die Kamera hält. Wenn man sich dafür nicht verbiegt, spricht für mich nichts dagegen. Und mal ehrlich: Es ist mir scheißegal, ob auf meiner Trinkflasche nun SiS, Erdinger Alkoholfrei oder Fortuna Düsseldorf steht - auf den Inhalt kommt es an. Nur beim FC Bayern sähe das etwas anders aus.

Zu guter Letzt 

Ich freue mich, dass ein Projekt, an dem seit mehr als drei Jahren mein Herz hängt, auch von Zeit zu Zeit etwas für mich abwirft. Ich bin dankbar für dein Feedback, für Kommentare, für wunderbare Nachrichten, die mir manchmal den ganzen Tag ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Es gibt nichts Schöneres, als wenn jemand schreibt, dass er hier mitgelesen hat, seine eigene Motivation gefunden und den Ehrgeiz geweckt hat. Das freut mich ehrlich von Herzen und ist absolut unbezahlbar. Was aber bezahlbar ist, ist eine Kommunikationsdienstleistung für ein Unternehmen oder eine Marke - und nichts anderes ist ein Sponsored Post. Es ist schön, hin und wieder auch finanziell etwas davon zu haben, was ich gerne mache, was ich ganz gut kann - und was ich sowieso mache. Denn: Natürlich steckt nicht hinter jeder Verlinkung, jeder Erwähnung eine Vereinbarung. Über Dinge, dir mir gefallen und von denen ich glaube, dass sie für dich interessant sein könnten, berichte ich natürlich auch von selbst - diese sind dann natürlich nicht als sponsored gekennzeichnet.

Ich hoffe, der Artikel bringt ein wenig Licht ins Dunkel - wenn noch Fragen offen sind, nur zu. Ansonsten freue ich mich weiterhin über Rückmeldungen und Interaktionen und vor allem auf eine spannende Saison. Bis bald!