Sonntag, 27. September 2015

Was soll das eigentlich mit der Lauferei?

Jetzt, wo mir das schon so viele andere Leute beantwortet haben, stelle ich mir auch selbst die Frage: wieso läufst du eigentlich? Hasst du das Laufen eigentlich noch? Wenn ja, wieso lässt du es nicht bleiben?


Das Thema kam auch beim Workshop mit Felix Klemme zur Sprache. Mit "ich hasse laufen" würde ich mir selbst etwas einreden, was gar nicht mehr stimmt. Und mich unter Druck setzen, denn ich "muss" es ja trotzdem machen. Ich sollte den Blog umbenennen.

Dazu habe ich mir Gedanken gemacht. Ich finde den Namen prima. Denn er drückt genau aus, wie es ist, wenn du mit dem Laufen anfängst: scheiße. Es ist anstrengend, nervt, tut vielleicht auch weh, du kommst kaum von der Stelle und bist sofort aus der Puste. Das ist doch blöd. Niemand kann mir erzählen, dass ihm das Laufen von ersten Minute an Spaß gemacht hat. Es sagt dir ja auch keiner, dass der Anfang so hart ist. Ich finde, das kann man ruhig mal hassen. So ist dann wenigstens gleich auch etwas Leidenschaft im Spiel. Und dass man etwas nicht mag, bedeutet ja nicht, dass man es nicht machen muss.


Stimmt es denn noch? Hasse ich das Laufen immer noch? Jein. Ich denke, mittlerweile ist es eine Art Hassliebe geworden. Wenn ich 10 km locker durch die Gegend trabe und mich das zwar anstrengt, es mir aber nicht schwer fällt, dann freue ich mich darüber. Das fühlt sich gut an. Weil ich noch sehr genau weiß, wie es sich am Anfang angefühlt hat und dass ich es NIE für möglich gehalten hätte, dass es leichter wird. Wirds aber. Nur halt nicht immer. Es gibt immer noch Läufe, die einfach scheiße laufen - und ich bin sicher, das geht jedem so. Läufe, bei denen ich langsamer bin als sonst, alles anstrengend finde und die Runde vielleicht sogar verkürzen muss. Wo ich mich über jede rote Ampel freue oder einfach so mal eine Gehpause einlege. In diesen Momenten hasse ich wieder. Ich fühle mich nicht fürs Laufen gemacht, ich möchte spazieren oder sehne mir ein Fahrrad herbei.

Aber ich laufe ja trotzdem. Überwiegen die schönen Läufe? Ja, vielleicht. Ich zähle nicht mit und wiege das nicht auf, denn das Laufen gehört mittlerweile einfach zu mir dazu. Es kribbelt mir in den Fingerspitzen (eigentlich müssten es die Füße sein, oder?), wenn es eine kleine Laufpause gab und dann auf einmal prima Laufwetter ist. Mir fehlen der Park, der Wald, der Rhein, die Enten, die Kaninchen, die Eichhörnchen, die Gänse, das Gras, der Schotter, die Tannen, das Laub auf dem Boden, die Sonne im Gesicht, wenn ich ein paar Tage nicht laufen war.

Ich war barfuß auf der Bahn: mal ein schönes anderes Gefühl.
Ich bin nicht ganz sicher, ob ich dabei geblieben und weiter gelaufen wäre, wenn ich nicht entdeckt hätte, dass Triathlon mir Spaß macht. Schwimmen und Radeln sind super, das Laufen gehört halt auch dazu. Trotzdem habe ich mir unabhängig davon auch Lauf-Ziele gesteckt: Anfang des Jahres bin ich bei meinen beiden ersten 10-km-Läufen gestartet. Am 8. November soll in Düsseldorf der Halbmarathon folgen. Ich hätte niemals gedacht, mich mal für sowas anzumelden - auch aktuell bin ich noch nicht wieder in der Form wie vor dem Triathlon und zweifle hin und wieder, ob das denn wohl so eine gute Idee war mit den 21 Kilometern. Die Läufe fallen mir im Moment schwer, auch wenn sie kurz und langsam sind. Im Hinterkopf weiß ich aber, dass das wieder besser wird, wenn der Fokus auf dem Laufen liegt - weniger radeln und weniger schwimmen sind dann zeitweise auch mal ok.

Ich habe heute den ganzen Morgen und Vormittag damit verbracht, beim Berlin-Marathon mitzufiebern. Den Start und die Zieleinläufe der Profis habe ich im Fernsehen bewundert. Ich habe Anna Hahners Gesicht gesehen, das auf den letzten Kilometern nicht mehr ihr schönes Strahlen gezeigt hat, sondern vor Anstrengung verzerrt war. Sie hat am Ende gewusst, dass sie ihr großes Ziel, die Qualifikation für Rio 2016, nicht erreichen würde. Sie ist weiter gerannt. Eine Reihe von Läufern, die ich entweder im echten Leben oder nur von Twitter kenne (oder beides), habe ich in den Ergebnislisten als Favoriten markiert und so im Liveticker ihre Splitzeiten verfolgt. Ich habs mitgefühlt, wenn einer aus der Liste etwas eingebrochen ist, der eine mehr, der andere weniger. Und ich habe mich aus der Ferne vor dem PC unheimlich mitgefreut, wenn jemand die Pace doch tatsächlich noch steigern konnte. Und im Hintergrund von all diesen Einzelheiten: über 40.000 Leute, die einen beschissenen Marathon laufen. Das ist doch krass.

Die Schafe auf der Düsseldorfer Brückenrunde sind relativ unbeeindruckt davon, ob es gerade gut läuft oder nicht. 
Dass ich da so mitfiebere, zeigt mir, dass die Sache mit dem Laufen so verkehrt nicht sein kann. Ich habe allergrößten Respekt vor allen Finishern, sei es beim Marathon oder beim 10er. Und genau deshalb will ich auch weiter Rennen laufen - jeder Wettkampf (auch wenn er nur gegen sich selbst ist, und das trifft auf die meisten von uns zu), gibt dir etwas, das du im Training nicht bekommen kannst. Die Atmosphäre ist anders, das Gefühl ist anders und am Ende hast du etwas geschafft, worauf du stolz sein kannst. Und wenn nicht, hast du auf jeden Fall was dazu gelernt. Ich bin niemand, der x-mal 10-km-Läufe läuft, um jedes Mal die Zeit zu verbessern. Ich möchte etwas Neues schaffen, was ich noch nie gemacht habe - der nächste logische Schritt ist deshalb jetzt der Halbmarathon. Und zumindest bei der Anmeldung habe ich mir ja zugetraut, das zu packen - in sechs Wochen zeige ich mir selbst, ob ich Recht damit hatte.

Nach dieser Logik müsste ich nach der halben als nächstes die komplette Distanz auf der To-Do-Liste haben. Habe ich nicht. Aber wir reden nach dem 8.11. weiter. Auch im Triathlon weiß ich, dass nächstes Jahr definitiv nicht die nächste Stufe ansteht - das wäre eine Mitteldistanz und das ist absurd. Ist in näherer Zukunft nicht drin und ich weiß auch nicht, ob das für mich überhaupt irgendwann mal in Frage kommt. Ich habe unheimlich Bock auf Hindernisläufe, auf nasse Schuhe, Matsch und Klettern - und das war ja damals der Grund, weshalb ich überhaupt mit dem Laufen angefangen habe.

Falls du dich also gerade fragst, ob dieses Laufen was für dich wäre, fang einfach an. Wer weiß, was sich daraus ergibt. Wenn du schon dabei bist und es wie bei mir gerade nicht so läuft - bleib dran. Ich verspreche, es wird wieder besser. Mit Hass und auch ohne. Ganz sicher!