Freitag, 16. Juli 2021

Orbit360 - Spin Spark: Ruhrgebiet rauf und runter

Bisher haben die Orbits mich nach Brandenburg und Hamburg geführt, aber eine Strecke habe ich auch vor der Haustür. Ich meine, wirklich direkt vor der Haustür - vom Wohnzimmerfenster aus kann ich sie sehen. Ich kenne viele Abschnitte der Route, einige Wälder davon seit 20 Jahren sehr gut, andere ein bisschen, aber fast überall bin ich schon mal gewesen. Niemals im Leben würde ich unter normalen Umständen auf die Idee kommen, in diesem Gebiet eine so lange und so hügelige Runde zu fahren, aber ... let's orbit! 

Die Story zum Spin Spark Orbit kannst du dir auch als Podcast anhören, zum Beispiel bei Spotify, iTunes oder überall, wo es Podcasts gibt. In dieser Episode habe ich Nils Laengner zu Gast und spreche mit ihm über unseren Tag auf der Spin-Spark-Strecke. Jule Wagner, die Scouterin der Route, kommt auch zu Wort. 

Foto: Nils Laengner

153 Kilometer und 2200 Höhenmeter also. Plusminus ein bisschen, denn was am Ende getrackt wird, stimmt ja selten exakt mit der vorigen Planung überein. Hängt sicher damit zusammen, dass das Garmin bergauf gerne auf Auto-Pause schaltet - völlig egal übrigens, ob ich hoch kurbele oder wandere. Der Vorteil, wenn man die Gegend kennt: Man weiß, was kommt. Der Nachteil: Man weiß, was kommt.

Absoluter Vorteil: Nicht vor der eigenen Haustür starten, sondern kurz hinter dem eigentlichen Startpunkt in Ratingen Breitscheid/Mintard, so dass der ganze fiese Teil zuerst kommt und die flachsten Kilometer ganz zum Schluss. Das gute daran: Der ganze fiese Teil kommt zuerst. Der Nachteil: Ja. 

Inzwischen weiß ich, dass ich 150 Kilometer im Gelände fahren kann und dass es je nach Untergrund entweder etwas länger dauert (Spooky Sputnik) oder etwas schneller geht (Marsian Mountains). Vor ein paar Monaten, vor dem Start der Orbit-Serie, hatte ich über Spin Spark nachgedacht und überlegt, ob ich dafür nicht lieber zwei Tage einplanen sollte. Overnighter vor der Haustür sozusagen. Ich wusste, dass die Höhenmeter und vor allem ihre Verteilung mir ganz schön zu schaffen machen würden. Ich komme ganz gut auf gleichmäßige, nicht hochintensive Belastungen klar. Lange leicht bergauf. Halbmarathon laufen. So was. Aber immer wieder steil hoch, sofort steil wieder runter und so weiter - dafür bin ich wirklich nicht gemacht. 150 Kilometer langes Intervalltraining sozusagen. Mit meinem aktuellen Fitnesszustand: joa. Wird ein langer Tag.

Die ersten Kilometer morgens um halb 7 sind tatsächlich die schönsten. Nachdem ich die etwas wurzelige Abfahrt am Schloss Landsberg überlebt habe, kurbele ich mich über den Sengenholzer Weg von Kettwig hoch nach Isenbügel. Das Ding ist keine Rampe mehr, sondern eher eine Mauer. Es gibt wirklich einige ekelhafte Möglichkeiten, mit dem Rad aus dem Ruhrtal wieder herauszukommen und das hier ist eine davon. Danke Jule. Ich bin stolz, dass ich nicht absteigen muss und werde ein paar Meter weiter oben mit dem schönsten Blick über das Oefter Tal belohnt: Hügel, Bäume, Morgensonne, etwas Dunst, leuchtende Getreidefelder und ein sich schlängelnder Weg - herrlich. 


An den Tagen zuvor hat es nur geregnet, deshalb ist der Reitweg unten im Oefter Tal komplett matschig. Also hike a bike. Das Motto bleibt, als es mit gut 20 Prozent Steigung über Schotter aus dem Tal wieder heraus geht - nope. Das Votec ist ein fantastisches Rad, aber meine Beine und die Übersetzung werden sich hier nicht einig. Ein wenig später lungert Jule an der Strecke herum und rollt ein paar Kilometer mit. Prima, ich habe jetzt also den Luxus, die Person direkt verfluchen zu können, die sich diesen Spaß hier ausgedacht hat. Ein Trail auf einer Wiese ist fast bis auf Sattelhöhe zugewuchert und ich will die Wette starten, wer später wohl die meisten Zecken hat. 

Nach 35 Kilometern: Velbert Nierenhof, Cycle Café. Super: Endlich mal Raphael hallo sagen, der letztes Jahr diese ganze Orbit-Sache erfunden hat. Außerdem sammele ich Nils ein, der heute etwas mit mir radeln und dabei Fotos für sein Orbit-Buch aufnehmen will. Weniger super: Nierenhof liegt im Tal und ab hier gehts auf jeden Fall nach der kurzen Pause erst mal wieder hoch. Und zwar nicht zu knapp. Die Gegend rund um die Elfringhauser Schweiz ist wahrscheinlich die schönste der Strecke: Hügel, Kühe und mit ein bisschen Fantasie sind wir nicht mehr in der Nähe des Ruhrgebiets, sondern beinahe in Bayern. 


Die Route schlängelt sich vom einen Tal ins nächste. Ich wandere bergauf und rolle bergab. Blöderweise kenne ich mich hier halbwegs aus, so dass ich weiß, wann es wo kürzer ginge, aber natürlich folgen wir brav dem Track. Beim zweiten Stopp im Cycle Café habe ich 67 Kilometer und mehr als 1200 Höhenmeter auf der Uhr - das allein wäre eigentlich schon eine ordentliche Tour für meinen Geschmack. Danke, reicht. 

Auch wenn mehr als die Hälfte der Höhenmeter bereits geschafft ist - das reicht natürlich nicht. Deshalb Cola rein schütten und weiterfahren. Ich hatte schon in den Tagen vor dem Start Rückenschmerzen und die Höhenmeter verbessern die Lage nicht gerade. Zwischenzeitlich weiß ich nicht, ob bergauf radeln oder wandern mehr weh tut, aber ich treffe eine wichtige Entscheidung: Während eines Anstiegs wird nicht über einen möglichen Abbruch entschieden. So. 


Ich sehne den Panoramaradweg herbei. Asphalt und bergab. Nur kurz, aber dafür zweimal eingebaut - danke Jule. Verpflegung ist ein Thema, denn - Überraschung - dieses Orbit ist deutlich anstrengender als die beiden vorigen, so dass ich mit meiner üblichen Tüte Mango nicht weit komme. Immer wieder ruft die Gänsehaut auf meinen Armen laut: "Überanstrengung! Unterzuckerung!", so dass ich Pause machen und irgendwas in den Magen kriegen muss. Der meldet natürlich passenderweise gleich mal Übelkeit, so dass sich das Projekt Energie zuführen durchaus schwierig gestaltet. Beim obligatorischen Tankstellenstop in Wülfrath zwischen den vielen Kalksteinbrüchen sorgen Schokoriegel, Cola und ein kaltes Stück Pizza für neues Leben. 

Und dann gehts nach Hause. Zuerst durch das Dorf, in dem ich wohne, dann rund um meinen Heimatort. Durch Wälder, in denen ich gefühlt jeden Baum kenne. Über lange Geraden, endlich mal flach und gravelig geradeaus. Ich zähle die Kilometer rückwärts, freue mich über die wirklich clevere Wahl des Startpunktes und glaube jetzt langsam daran, dass wir ankommen. Nur noch 40. Nur noch 30. 15. Noch 5. Noch einer. Gleich müssten wir da sein. Vorher steht mitten im Auberg eine Gruppe von 10, 15 Flunkyballspielern, die schnell die Bierflaschen vom Weg räumen, sich rechts und links am Rand zum Spalier aufstellen und uns mit einer La Ola empfangen. Ganz schick für eine Zieleinfahrt nach 12 Stunden!



Titelbild: Nils Laengner 
Fotos 3, 4 und 5: Jule Wagner