Montag, 21. Dezember 2015

Stutenbeiken - Braver Than The Elements

Es ist der Wurm drin. Nachdem ich vor ein paar Wochen noch getönt habe, dass ich ja gar keine Erkältung mehr kriege, seit ich ständig draußen bin, hats mich dann natürlich erwischt. Musste ja. Anfangs gings auch gar nicht so richtig los, sondern immer mal wieder ein bisschen. Und kaum dachte ich, jetzt ists vorbei, fings wieder von vorne an - wochenlang. Laufen fiel also ziemlich flach. Trotzdem wollte ich mir auf keinen Fall den Nikolauslauf entgehen lassen und habe mich gerade wieder halbwegs gesund gleich mal 10 Kilometer durch die Ratinger Wälder geschleppt - und die sind hügeliger, als ich sie in Erinnerung hatte. Das war auf jeden Fall keine allzu gute Idee, das Pensum von Null auf 100 zu steigern - mein Knie hats mir mit einem Totalausfall gedankt und am Tag danach erst mal den Dienst quittiert. Prima. Also wieder ein paar Tage Nichtstun. Die nächste dumme Idee: am Wochenende drauf Radfahren. Und zwar kein kleines entspanntes Ründchen, sondern gleich Stutenbeiken meets Rapha Braver Than The Elements. Schon mal vorab: Das war nicht klug.


Rapha hat mal wieder dazu aufgerufen, zu radeln. Ergibt ja auch irgendwie Sinn für einen Hersteller von Radsportartikeln. Mit der Aufforderung, braver than the elements zu sein, hatten sie mich dann auch gleich. Im Moment komm ich wegen einer Mischung aus krank, Wetter und keine Lust ungefähr gar nicht aufs Rad und sage ständig, ich müsste ja zumindest mal zum Spinning ins Fitnessstudio gehen. Lust hab ich dazu aber noch weniger und Zeit bin ich gerade auch nicht bereit, mir zu nehmen. Aber braver than the elements, ha, das wäre doch gelacht. Sollen die mal kommen, die Elemente. Immer her mit dem Wetter!


Sieben Frauen folgen dem Ruf und finden sich an der Schicken Mütze ein, um die Wetterfestigkeit auf dem Rennrad unter Beweis zu stellen. Eine davon in kurzen Hosen. Hut ab, Naomi. Ich führe derweil bei knackigen 7° mal meine Sturmhaube unter dem Helm und der schicken Mütze aus. Schön ist anders, aber über kalte Ohren kann ich jedenfalls nicht klagen. Bruno bleibt im warmen und sauberen Stall, dafür darf Gabi den Elementen trotzen.


Die Strecke führt raus aus Düsseldorf und über Meerbusch nach Willich, die Autos haben bald Viersener Kennzeichen und ich erwarte hinter jeder Kurve die Niederländische Grenze. Würde man mich hier aussetzen, ich wäre komplett verloren. Der Orientierungssinn kommt mir auch abhanden, ich würde keinen einzigen Weg hier jemals wieder finden. Ist das da hinten eine Autobahn? Könnte die A 52 sein, aber auch jede andere. Die Wege sind gut zu fahren und das Wetter macht es uns auch gar nicht so schwer wie befürchtet.


Ich freue mich, mal wieder auf dem Rad zu sitzen, auch wenn es "nur" Gabi ist und ich da ganz schön arbeiten muss. Bruno fährt ja fast von alleine. Ungefähr bis Kilometer 50 gehts mir prima und dem Knie auch. Es ist ein bisschen frisch, aber hey - ich hab ne lange Hose und außerdem könnte es auch regnen oder schneien oder schlimmer. Also kein Grund, sich zu beschweren. Aber so langsam wäre es doch schön, mal wieder in Richtung Heimat zu radeln.


Ich will nicht mehr. Das Knie auch nicht. Zwei Stunden hat es keinen Mucks von sich gegeben, aber jetzt ist es langsam aber sicher genug. Noch nicht so schlimm, dass ich auf der Stelle absteigen und mich nach Hause beamen will, aber schon nervig. Und kein Ende in Sicht. Sollte die Runde nicht insgesamt 60 Kilometer lang sein? Das war wohl nichts. Nicht nur dem Knie, sondern auch dem Rest von mir geht immer mehr die Energie aus. Ich rede mir gut zu (dazu lese ich gerade ein Buch und werde bald berichten). Drücken. Ziehen. Du bist stark. Du kannst gut Rad fahren. Spätestens bei "das macht Spaß hier" glaube ich mir selbst nicht mehr. Drücken. Ziehen. Leiden.


Was vorhin mit etwas unbeweglichen kleinen Zehen anfing, hat sich mittlerweile auf alle Zehen ausgeweitet und ist eine schöne Taubheit. Ich fühle nichts mehr. Nur noch Kälte. Die Füße sind nicht mehr da. In die Pedale treten müssen sie trotzdem noch. Diese Leere hätte ich auch gerne im Kopf, dann könnte ich vielleicht einfach weiter machen. So macht sich das "kann nicht mehr, will nicht mehr" langsam immer breiter. Und dieses Knie. Das verdammte Knie. Zuhause sein wäre schön. In der warmen Badewanne. Langsam auftauen. Dann ist auch der Punkt überwunden, an dem man sich noch tolle Sachen vorstellt und sich dort hin wünscht. Die Zeit vorspulen möchte. Ich möchte am liebsten liegen, und zwar an Ort und Stelle, einfach anhalten, den anderen hinterher rufen, sie sollen mich hier sterben lassen, absteigen, mich auf dem Boden zusammenrollen und liegen bleiben.

Irgendwie kriege ich den Kopf nochmal für fünf Kilometer ausgeschaltet und rolle mittlerweile mit ein wenig Abstand dem Stuten-Peloton hinterher. Ich weiß wieder, wo wir sind und will den kürzesten Weg nach Hause nehmen. Deshalb verabschiede ich mich nach 65 km dann an einer Brücke und verpasse so leider das gemeinsame Foto, aber ich bin echt zu schlapp, um jetzt nochmal den Hügel runter zu rollen, das Foto-Lachen aufzusetzen und vor allem dann wieder hoch zu kurbeln. Nee. Ich muss jetzt echt mal runter vom Rad und die gefrorenen Füße wieder zum Leben erwecken. Die beste Idee des Tages hab ich dann spontan während der ersten Meter, die ich wie auf Eiern gehend zurücklege und Gabi dabei schiebe: Bahn fahren.

Das ist der Grund, weshalb Gabi braver than the elements sein durfte, nicht Bruno.
So quetsche ich mich mit einem schön eingesauten Rennrad in die sowieso schon volle U-Bahn, mache so gut es geht ein- und aussteigenden Menschen Platz, lasse mich dennoch anpöbeln und anrempeln und steige schließlich am Hauptbahnhof auch nochmal um. Eigentlich sinds von hier aus mit dem Rad nur noch 5 Minuten nach Hause, aber ich will ja auch was haben für mein Geld (selbst Gabi hat ein eigenes Ticket bekommen). Und außerdem kommt radeln heute irgendwie nicht mehr in die Tüte. Ich verkürze mir die Wartezeit auf die Straßenbahn mit dem allerbesten Streuseltaler, den ich jemals gegessen habe. Spontaner Heißhunger auf Süßkram, komisch, kommt mir vom Halbmarathon doch sehr bekannt vor. Was hätte ich da für eine Cola gegeben!


Bleibt festzuhalten: Die Schicke Mütze lockt immer eine nette Truppe an und bringt einen dabei auf Wege, die man vorher noch nicht kannte. Braver than the elements - Gabi ja, ich nicht. Unnötig zu erwähnen, dass drei Stunden rennradeln bei 7° weder für eine halbwegs auskurierte Erkältung noch für ein angeschlagenes Knie sonderlich förderlich sind. Seitdem ist also Sportpause angesagt. Aber mal komplett, also so richtig vernünftig.

Die ganze Runde ist hier auf Strava zu finden.

Mittwoch, 2. Dezember 2015

8 Fragen an... Nadin von Eiswuerfelimschuh

Nadin von Eiswuerfelimschuh tanzt ein kleines bisschen aus meiner Interview-Reihe. Gefühlt ist sie schon immer gelaufen und hat die beschwerlichen Anfänge längst vergessen - ein Glück, wenn man als Kind beginnt und die Leichtigkeit behält. Trotzdem - oder vielleicht auch deshalb? - finde ich sie unheimlich inspirierend und folge ihr schon lange auf Instagram und Twitter. Beim Triathlon in Hamburg habe ich sie in diesem Jahr zum ersten Mal im echten Leben getroffen - wenn auch nur ganz kurz zum Quatschen - und schließlich am nächsten Tag während des Rennens angefeuert. Zuletzt war sie auf Hawaii und hat die Daheimgebliebenen unter anderem mit solchen Bildern und Geschichten neidisch gemacht. Aber jetzt zu den Lauf-Fragen, dankeschön fürs Mitmachen! Los gehts:


Kannst du dich an deinen ersten Lauf erinnern? 
Ehrlich gesagt kann ich mich daran nicht erinnern. Ich war bereits als Kind sehr aktiv und in Vereinen immer auch mit laufen beschäftigt. Es gab aber einen Moment, den ich für mich als den Moment beschreiben würde, als ich wusste, dass ich eigentlich eine Läuferin bin und auch nur laufen möchte. Ich muss etwa 16 Jahre alt gewesen sein. Ich war in einem Handballverein und trainierte mehrmals die Woche. Ich bildete mir ein, dass das Training allein nicht ausreichte und die kurze Zeit der Erwärmung mich nicht weiterbrachte. Also entschied ich mich kurzerhand etwa 5 km zur Halle zu laufen und nach dem Training auch wieder zurück. Eine Freundin, die mit mir im Verein war, begleitete mich mit dem Rad und nahm meine Sachen mit. Als ich ein Jahr später umzog, verließ ich die Mannschaft. Ich wohnte dann auf dem Land und hatte keine andere Möglichkeit Sport zu treiben. Also lief ich – und es war großartig. Wir hatten einen Hund, der mich begleitete und die Runden wurden immer länger und immer länger. Damals noch ohne technisches Zubehör und immer nur mit einer groben Schätzung, was die Strecke anging.

Warum läufst du? Haben sich deine Motive mit der Zeit verändert?
Nein, im Prinzip lief ich schon immer einfach nur ums Laufen Willen. Ich trainierte immer schon recht viel, um vor allem mein Asthma in Schach zu halten. Natürlich gab es auch Zeiten, als ich mir meinen Hintern, Bauch, meine Oberschenkel und was nicht alles ablaufen wollte. Aber eigentlich geht es mir um Ausgleich, Gesundheit und Wohlbefinden. Dass ich mittlerweile auch so intensiv Wettkämpfe bestreite, ist ein sehr schöner Nebeneffekt, eine besondere Herausforderung und auch Motivation.


Welches Ziel möchtest du als nächstes erreichen?
Im Prinzip richten sich meine sportlichen Ziele immer ein wenig nach dem Saisonverlauf. Manchmal muss ich sie aufgrund meines Asthmas revidieren oder möchte einen Wettkampf einfach nur genießen, weil er an so einem besonderen Ort stattfindet. Da ist das Ziel dann einfach wirklich nur das Ziel. Aber natürlich möchte ich hin und wieder auch Bestzeiten aufstellen. Das gilt für jeden Bereich – sowohl bei Laufwettkämpfen als auch bei Triathlons.

Was ist momentan dein wöchentliches Pensum?
Momentan trainiere ich etwas weniger, weil ich mich in meinem Regenerationsmonat befinde. Da kommen vielleicht um die sechs Stunden in der Woche zusammen. Ich lasse mich etwas treiben und nehme meinen Trainingsplan nicht ganz so ernst. Wenn es dann aber wieder losgeht mit meiner Saisonvorbereitung für das nächste Jahr, werde ich recht zügig das normale Pensum auf 8-10 Stunden in der Woche erhöhen. Wenn es dann richtig ernst wird, können 9-12 Stunden zusammenkommen. In sehr intensiven Trainingswochen oder im Trainingslager auch schon einmal deutlich mehr.
Anmerkung: Nadin hat die Fragen im Oktober beantwortet. Mittlerweile ist sie wieder stärker im Training und hat auch ihr Run-Swim-Run wieder gestartet, was ich immer gerne auf diversen Kanälen verfolge und bewundere ;-)


Muss Training Spaß machen oder weh tun?
Training muss Spaß machen, kann aber auch mit Zähne zusammenbeißen kollidieren. Für mich ist das ganz einfach. Was mir keinen Spaß macht, mache ich nicht. Es ist mein Hobby und soll mir Freude und Ausgeglichenheit schenken. Ich möchte dadurch noch ein Stückchen glücklicher werden. Aber ich bin auch bereit, dafür zu kämpfen und hart an meinen Zielen zu arbeiten. Natürlich bin ich auch mal enttäuscht, wenn etwas nicht gut läuft, ich mir Träume nicht erfüllen kann. Mittlerweile habe ich aber zumindest eine gewisse Ruhe erlernt, die alles relativiert und ich habe Wege gefunden, trotz harter Zeiten den Spaß nicht zu vernachlässigen.

Was ist das Schöne an deiner Lieblings-Laufstrecke?
Das ich alles haben kann: Natur, Stadt, Ruhe, Menschen. Ich kann hinaus aufs Land laufen und stundenlang niemanden sehen und hören. Ich kann aber die Strecke auch so wählen, dass ich andere Läufer treffe. Ich kann durch die Stadt laufen oder ein Stück weiter zum Wasser. Ich kann mich draußen im Wind auf Feldern austoben oder durch stille Wälder laufen. Ich kann auch zu Sportplätzen laufen und dort trainieren. Die Strecken können so lang sein, wie ich laufen kann. Sie lassen eigentlich nichts vermissen und bieten alles, was ich mir wünschen könnte.



Wie fühlst du dich, wenn du eine Ziellinie überquert hast?
Ich bin jedes einzelne Mal froh, in Ziel gekommen zu sein. Dann kommt es immer darauf an, was mein Ziel war. Wollte ich einfach nur denn Wettkampf genießen? Ging es um eine Zeit? Ging es um eine Platzierung? Konnte ich all das erreichen, was ich wollte? In diesem Jahr hatte ich alles. Jedes Gefühl war irgendwie vertreten – Glück, Zufriedenheit, Enttäuschung. All das gehört aber auch dazu. Selbst in Wettkämpfen, die enttäuschend enden, gab es garantiert immer auch Momente, die Spaß machten, die vor Euphorie strotzten, die mich glücklich machten.

Wie bringst du den Schweinehund zum Schweigen?
Machen. Einfach machen. Mein Trainingsplan ist mein bester Partner in diesen Momenten. Wenn gar nichts helfen will, bitte ich meine Familie um Hilfe. Die schafft mich dann schon vor die Tür.

Was würdest du Anfängern raten?
Nicht zu übertreiben und keine Angst vorm Hinfallen zu haben. Realistische Ziele sind sicher ebenso wichtig wie ein Maß an Willen.