Montag, 30. November 2015

Double Up - Rückblick 2015


Was, jetzt schon ein Rückblick? Es ist noch nicht mal ganz Dezember, aber das Sport-Jahr ist für mich gelaufen (Achtung, Wortwitz). Am 6. Dezember starte ich zwar noch beim Nikolauslauf für den guten Zweck ohne Zeitmessung und dafür mit Kuchen und Glühwein, aber das zählt nicht so richtig - ist ja wirklich nur zum Spaß. Und während das Jahr also so vor sich hin dümpelt und ich mich noch ein klitzekleines bisschen ärgere, wie das mit dem Halbmarathon gelaufen ist, will ich mal kurz auf Ende 2014 zurückblicken. Damals habe ich behauptet:

"Spontan ein uraltes Rennrad zu kaufen, war die beste Entscheidung dieses Jahres. Das Radeln macht mir so viel Spaß, dass ich schon vorsichtig drüber nachdenke, ob Gabi im nächsten Jahr mit genug Sparen eventuell einen modernen und leichteren Nachfolger bekommen könnte."


Hat geklappt. Nicht nur bei Gabi, sondern auch Bruno war es Liebe auf den ersten Blick. Ich bin froh, dass ich sie habe, alle beide!

"Ich habe wieder Spaß am Schwimmen gefunden und bin dabei, mir (wieder) das Kraulen beizubringen. Wahrscheinlich werde ich im März einen Wettkampf im Rettungsschwimmen mitmachen - natürlich habe ich ordentlich Muffensausen, aber ich freue mich drauf."


Den Wettkampf bin ich nicht geschwommen, es wäre ein Mannschaftsstart gewesen und wir waren zu wenige. Das mit dem Kraulen hat aber geklappt - von einer Bahn im letzten Herbst bin ich mittlerweile bei gut 1000 m. Das Schöne am Schwimmen ist ja, dass man immer weiter dazu lernt. Immer. Ok, das nicht so Schöne daran ist, dass man dafür sehr, sehr viele langweilige Bahnen schwimmen muss. Aber mit der Steigerung von 25 auf 1000 m bin ich sehr zufrieden.

"Ich mache einen Lauftechnikkurs und hoffe, dass das Ganze dadurch leichter und "richtiger" wird. Ich habe mit Kolleginnen auf der Arbeit einen Lauftreff gegründet und begleite meinen Vater manchmal am Wochenende zu seinem Lauftreff. Ich bin am 20. Dezember 2014 zum ersten Mal 10 Kilometer gelaufen."


Ich bin unschlüssig, ob der Lauftechnikkurs mir viel gebracht hat oder nicht. Auf jeden Fall hat er dafür gesorgt, dass ich mich immerhin mit dem Thema auseinandersetze und mich von Zeit zu Zeit zu Lauf-ABC und Kräftigungsübungen zwinge. Der Lauftreff auf der Arbeit hat hervorragend funktioniert und mich bestens durch den Winter gebracht - laufend. Den anderen Lauftreff mit meinem Vater habe ich zu Beginn verflucht, dann aber doch während der Winterzeit relativ häufig besucht. Die ersten 10 Kilometer waren grauenvoll - meine beiden ersten Rennen über die Distanz liefen ganz im Gegenteil ziemlich gut.

Im Februar hatte ich die ersten Ziele für 2015 ausgerufen: 10-km-Lauf, Sprintdistanz im Freiwasser, Kurzdistanz. Und dann im Mai nochmal etwas umsortiert: Doch kein Freiwasser, aber dafür bitteschön ein Halbmarathon. Im November.

TG 81 Frühjahrslauf in Düsseldorf im März - 10 km in 1:04:21
Breitscheider Nacht im April - 10 km in 1:03:42
Nach den beiden 10-km-Läufen hatte ich zum ersten Mal langfristige Ziele, auf die ich hinarbeiten konnte - und das ist was ganz anderes, als in fünf Wochen mal eben spontan für die erste Volksdistanz zu trainieren. Auf einmal richtest du nicht nur kurzfristig dein Leben nach etwas Neuem aus, sondern über Monate hinweg. Denn: Beim ersten Mal kann man immer scheitern, aber wenn man etwas zum zweiten oder dritten Mal macht - und dann auch noch so viel Zeit zur Vorbereitung hat - dann soll es auch bitteschön klappen. Wer so denkt, macht sich selbst ganz schön viel Druck - daher rufe ich jetzt schon mal als Ziel für 2016 aus, an alle Sachen so ranzugehen, als würde ich sie zum ersten Mal machen. Mit Leichtigkeit. Als Rookie. Nur halt mit etwas mehr Erfahrung.

ELE-Triathlon Gladbeck im Juni
Volksdistanz (500m/22km/5km) in 1:36:23
Stadtwerke Ratingen Triathlon im September
Kurzdistanz (1000m/40km/10km) in 3:15:54

Ich bin 2015 meine ersten 10-km-Rennen gelaufen, bin bei der zweiten Volksdistanz und der ersten Kurzdistanz gestartet und bin einen Halbmarathon gelaufen. Alles innerhalb von 9 Monaten, einiges davon zum ersten Mal, einiges vielleicht auch zu früh. Und doch bin ich froh, dass es so gelaufen ist, denn jetzt kann ich das nächste Jahr gelassen angehen - wirklich! Denn eigentlich hab ich schon alles erreicht, was es gerade für mich zu erreichen gibt. Dieses Jahr hat das letzte in jeder Hinsicht einfach nur verdoppelt - von 10 km bin ich bei 21 gelandet und von der Volksdistanz bei der Kurzdistanz. Ich bin mir ganz sicher, dass ich die Distanzen 2016 nicht nochmal steigern werde, weder beim Laufen noch beim Triathlon. Wo kämen wir denn da hin? Ich müsste ja Marathon laufen und eine Mitteldistanz anpeilen - beides absoluter Irrsinn. Ich schwöre. Stattdessen will ich mich ein kleines Stück zurücklehnen: Ja, ich hab mir einiges bewiesen. Und wenns Spaß macht, dann kann ichs auch noch besser. Ich will aber auch etwas von meiner Motivation abgeben und beobachte schon jetzt ganz beseelt, dass das tatsächlich funktioniert.

Seelauf in Essen im Oktober - 14 km in 1:29:29
Martinslauf in Düsseldorf im November - Halbmarathon in 2:28:55 
Das heißt konkret also, Zeiten angreifen: Auf 10 km sollen 2016 endlich die 60 Minuten fallen. Werden sie auch. Mit der Halbmarathon-Strecke habe ich auch noch eine Rechnung offen. Gemeldet bin ich bereits für die Duisburger Winterlaufserie: 10 km im Januar, 15 im Februar und 21 im März. Ich brauche einen Ansporn, im Winter dranzubleiben und die Strecken sollen schön sein - trifft sich doch gut.

Triathlon-Ziele habe ich noch keine konkreten. In Ratingen möchte ich gerne starten, weil es eine schöne Veranstaltung in der Heimat ist - aber vielleicht suche ich mir für eine Kurzdistanz nächstes Jahr doch eine etwas weniger profilierte Strecke aus. Oder ich mache einfach nur nette Sprintdistanzen - ich weiß es noch nicht. Unheimlich gerne würde ich in Hamburg starten, aber das ist leider übertrieben teuer - will mich nicht jemand einladen? Ich berichte auch drüber! Spaß beiseite: Ich bleibe also im Training und plane meine Triathlon-Termine vielleicht etwas kurzfristiger als dieses Jahr.


Und dann ist da ja noch diese Sache mit dem Hindernislauf. Liebes Tough Mudder NRW, wieso wirbst du denn mit der Strecke mit den meisten Höhenmetern europaweit? Verrat mir doch sowas nicht! Berge sind scheiße. Ich habe mich bereits als Helfer gemeldet, damit ich nicht auf die Idee komme, da starten zu wollen. Gleiches Spiel übrigens beim Marathon in Düsseldorf - auch hier will ich Helfer sein und in lauter glückliche Läufer-Gesichter gucken. Aber vielleicht wird das ja doch noch was mit der Hindernislauf-Karriere, vielleicht bei einer anderen Veranstaltung. Ich liebäugele da sehr stark mit einer, die sozusagen auf heiligem Boden stattfindet ... Aber ich will noch nichts verraten.


Ok, zwei Dinge noch - ich mache das jetzt ein bisschen so wie mit guten Vorsätzen: Ich schreibs auf und wenn nichts daraus wird, ist es mir Ende nächsten Jahres wenigstens peinlich. Krafttraining. Stabi. Dehnen. All so Zeug. Muss mehr werden. Hab ich gar keinen Bock drauf, aber so fings mit dem Laufen ja auch an. Ich habe mir das vorgenommen und ich muss da jetzt durch. Der Lebertran des Läufers eben - womit wir gleich beim zweiten Thema wären: Ernährung. Keine Sorge, ausgedrückte Fische landen ganz sicher nicht auf meinem Speiseplan, aber ich habe doch Lust, der Sache mit der Esserei wieder einen größeren Stellenwert zu geben. Was gibts? Und wie viel davon? Beide Themen - Ernährung und Krafttraining - werden zukünftig auch etwas mehr Platz im Blog bekommen. Ich freu mich drauf und bin gespannt, was 2016 noch so bereit hält. Also, Jahresendspurt jetzt: Kekse essen, Geschenke verpacken, Kilometer für den Winterpokal sammeln und startklar machen fürs neue Jahr!

Mittwoch, 11. November 2015

Raceday No. 8 - Halbmarathon Martinslauf

Das Halbmarathon-Wochenende ist da. Der Samstag hält für mich nur selbstverordnetes Nichtstun bereit und ich erwische mich bei dem Gedanken, wie nett es doch wäre, jetzt eine Runde laufen zu gehen. Nicht so weit, einfach nur ein Stündchen durch den Herbstwald traben. Nix da. Ein paar Stunden später juckt es mir dann nochmal extrem in den Fingern, denn samstags ist Schwimm-Tag und Wasserballtraining. Heute ohne mich, denn die Erkältungssymptome, die meine Chlor-Überempfindlichkeit hervorruft, kann ich jetzt absolut nicht gebrauchen. Aber ich würd so gern!

Sonntag. Aufwachen. Umdrehen. Weiterschlafen. Schön wärs. Ich habe keine Lust. So gar keine. Nicht aufs Austehen und schon gar nicht aufs Laufen. Das sind ja prima Voraussetzungen. Start ist erst um 11.45 Uhr, also noch genug Zeit, im Bett rumzulümmeln, zwei Marmeladenbrote zu frühstücken und mich dann mal ganz gemächlich anzuziehen. Boah, muss das heute sein? Gestern wäre ich gerne gelaufen!


Am Start ist die Hölle los und bin extrem froh, dass ich die Nummern schon vorab in der Stadt abgeholt habe. Über 3000 Läufer sind für die verschiedenen Distanzen gemeldet - der Trubel ist riesig. Ich renne noch zweimal aufs Dixi, beklatsche die Bambinis (die sind aber auch süß! Und von Freudestrahlen bis Weinen ist alles dabei) und dann finde ich mich plötzlich auf dem Weg zur Startlinie wieder. Wie schnell das dann immer geht.

Neben mir stehen Naomi und mein Vater, die beide eine schnellere Zeit als ich anpeilen: 10 bzw. 5 Minuten wollen sie früher im Ziel sein. Die ersten Meter nach dem Start ist es einfach übertrieben voll, die Wege sind schmal und die Läufer zahlreich. Sobald Platz ist, wieselt Naomi uns wie geplant davon. Mein Vater bleibt noch eine Weile neben mir, was mich etwas irritiert - ich bin ganz sicher, dass mein Tempo nicht zu schnell ist. Schließlich legt er ein ganz kleines bisschen zu und ich gehe nicht mit. Sehen kann ich ihn trotzdem noch eine Weile nur wenige Meter vor mir und frage mich, ob er eigentlich weiß, dass ich immer noch so nah dran bin.


Mein Schienbein schmerzt und die Achillessehne zwickt - muss das jetzt sein? Damit war doch während der letzten Läufe wieder Ruhe. Das kann ja was geben. Nach 3 km hört zum Glück beides auf und so bleibe ich bei meinem geplanten Tempo: 6:35 min/km. Strava misst irgendwas anderes, aber was ich mir während des Rennens mit dem Kilometerschildern und meiner Uhr zusammenrechne, ist exakt so, wie es sein soll. Bis auf km 4. Der ist einfach nicht da. Zu der Zeit, als ich laut Uhr das Schild sehen müsste, ist da kein Schild. Dafür verkündet das Runtastic meines Nebenmannes, dass nun 4 km geschafft seien. Schön. Aber wo ist das Schild? Ich halte die Augen weiter offen. Da ist echt keins. Es muss aber schon vorbei sein. Schon längst. Jetzt aber wirklich. Dann kommt das Schild mit der 5. Sehr witzig. Nun gut, zählen wir halt ab hier weiter wie gehabt.

Ich trabe hinter der einen oder anderen Gruppe her, überhole, wenns mir zu langsam wird, und werde auch überholt. Ein Läufer spricht mich auf Laufen gegen Leiden an und erzählt, er sammele für irgendwas Kilometer, das Tempo sei ihm eigentlich schon zu scharf, er wolle ja nur ankommen und dann rennt er weg. Aha. Ich muss mich zusammenreißen, dass ich nicht stehenbleibe und Fotos mache, denn der Wald hier ist echt wunderschön. Bis auf die Läufer menschenleer und teilweise liegen so viele Blätter auf dem Boden, dass der Weg kaum zu sehen ist - netterweise haben die Veranstalter Unebenheiten aber in Neonfarben markiert. Es ist unheimlich warm, ich bin mit T-Shirt und kurzer Hose unterwegs, es fühlt sich an wie Frühling und riecht nach Herbst.


Die ersten 11 km sind toll. Ich liege gut in der Zeit, bin gut gelaunt und genieße den Lauf. Wirklich. Dann führt die Strecke am Start/Ziel vorbei, ich trinke schnell im Gehen einen Becher Wasser und laufe dann weiter. Mama sitzt hier am Streckenrand auf einer Bank und liest Zeitung, was soll man auch anderes machen, wenn die Familie mehr als 2 Stunden hier durch die Gegend läuft? Sie fragt mich im Vorbeilaufen, ob alles ok ist ("Jo.") und erzählt, dass Papa nicht weit vor mir ist. "Ist mir egal!" Ist es auch. Läuft ja jeder hier sein eigenes Ding, wie abgemacht. Nach dieser ersten Schleife von 11 km kommt nun die Runde um den See bis km 15, danach um den Wald. Die Strecke am See kenne ich gut, den Rest danach nicht.

Hier sind einige Spaziergänger unterwegs - die Laufstrecke ist nicht abgesperrt, aber die meisten machen sofort Platz. Das funktioniert soweit alles gut, aber ich merke, dass es langsam anstrengend wird. Und zwar nicht nur für den Körper, sondern auch den Kopf. Meine Rechnerei funktioniert nicht mehr. 6 Minuten und 35 Sekunden auf die Zeit addieren, die beim Kilometerschild auf der Uhr steht, ist plötzlich eine echte Herausforderung. Selbst mit Fingern als Hilfe. Und wenn ich dann endlich die Zeit ausgerechnet habe, die ich beim nächsten Schild sehen möchte, habe ich sie schon wieder vergessen. Ich kann aber auch nicht nochmal von vorne anfangen, weil ich längst nicht mehr weiß, was die Uhr eben angezeigt hat. Eine GPS-Uhr wäre vielleicht mal eine Überlegung wert, die könnte mir dann die Pace anzeigen. Bisher hatte ich aber mit der Rechnerei immer eine tolle Beschäftigung, die mich abgelenkt hat. Jetzt gebe ichs auf. Ich merke, dass ich langsamer machen muss und kann mir ja sowieso nichts mehr merken.

Mein ursprüngliches Ziel war, unter 2:20 zu bleiben. Bei km 15 weiß ich, dass das nichts mehr wird. Plötzlich geht es ums Ankommen: Ich habe Gänsehaut, friere trotz 15° und Sonnenschein ziemlich und kann offensichtlich nicht mehr klar denken, zumindest nicht mehr addieren und mir zwei Zahlen merken. Dass die Gänsehaut überhaupt nicht mehr verschwindet und sich die Beine dazu anfühlen wie Pudding, zwingt mich zum Gehen. Ich will hier nicht von den Sanis abgeholt werden, sondern selbst ins Ziel kommen. Bisher habe ich es geschafft, alle negativen Gedanken zu verdrängen, aber jetzt gehts los: Noch 6 km. 6! Das ist mehr als eine halbe Stunde, viel mehr, bei deinem Zustand wahrscheinlich mindestens eine Dreiviertelstunde. Mir ist kalt und ich will mich irgendwo hinlegen und zudecken. Es geht jetzt entlang der Landstraße neben dem Wald, was für eine hässliche Strecke und wie lange sich das zieht. Soll hier nicht noch irgendwo eine Getränkestation sein?


16 km. So weit bin ich noch nie gelaufen. Ich wusste, dass ich 15 km gut schaffen kann und dass es danach hart wird. Ich dachte, ich beiße die Zähne zusammen und komme da schon irgendwie durch, aufgeben ist nun mal keine Option. Vielleicht war es blöd, mir keinen besseren Plan dafür zurechtzulegen, was ich denn genau damit meine, mit Zähne zusammenbeißen und weiterlaufen. Ein paar positive Gedanken. Katrins Mantra: Es geht, so schnell es geht und es dauert, so lange es dauert. Denke ich genau ein Mal dran, viel zu wenig. Ich merke, dass ich nicht mehr will aber auch gleichzeitig nicht mehr kann, irgendwas stimmt mit dem Körper nicht. Ich hatte damit gerechnet, dass mir was wehtun würde, die Füße, die Sehne, das Schienbein, die Oberschenkel, die Hüften - irgendwas, was halt mal zwickt und was bei den langen Läufen im Training schon mal geschmerzt hat - nichts. Da sind keine Schmerzen. Dass der Kreislauf einfach nicht mehr mitmachen würde, das hatte ich nicht auf der Rechnung. Und so muss ich gehen, laufen, gehen, laufen. Hänge mich an zwei dran, die echt langsam sind, will dahinter bleiben und mich zwingen, langsam zu laufen. Bloß nicht zu schnell.

Endlich kommt die Getränkestation, meine Rettung. Ich erlaube mir wieder zu gehen und zu trinken. Die beiden anderen traben weiter. Sie will auch gehen, aber er hat ihr schon einen Becher besorgt, sie muss laufen. Ich gehe. Habe sogar genug Zeit, meinen Becher in einen Müllsack zu werfen, der an einem Baum hängt. Wäre auch irgendwie lächerlich, hier lang zu spazieren und den auf den Waldboden zu werfen, als ob man es eilig hätte - ich muss keine Zeit mehr erreichen, ich muss hier nur irgendwie gut ankommen. 17 km. Noch 4. Die Mischung aus gehen und laufen kotzt mich an, es soll jetzt bitte einfach alles vorbei sein, kann ich nicht einfach schon im Ziel sein? Mir ist immer noch kalt, hier im Wald ist auch einfach keine Sonne mehr, ich will das nicht schaffen, ich will es geschafft haben. Ich denke nicht mehr viel, auf die Uhr geguckt habe ich auch schon länger nicht mehr.


18 km. 18! Whoa, das ist ja schon ne ganze Ecke. Nur noch 3. 3 gehen immer irgendwie. Für 3 km würde ich nicht mal Schuhe anziehen und zuhause loslaufen. 3 km war meine erste Laufrunde um den Block. Noch etwas mehr als 20 Minuten. Wenn du weiter so viel gehst, dauerts länger. Auf jetzt. 19 km. Ich gehe an den Streckenposten vorbei, sie klatschen trotzdem, einer sagt: "Du hast es gleich geschafft." Ganz unaufgeregt, nicht anfeuernd, einfach eine Feststellung. Bei km 14 hat das schon mal jemand gesagt und den habe ich verflucht, aber der hier, bei km 19, der hat Recht. Gleich geschafft. Noch 2 km. Schon seit km 15 sehe ich ständig gehende Läufer, haben die sich auch alle überschätzt? Viele machen das gleiche Spielchen durch, ein Stück gehen, dann wieder laufen, wieder gehen. Wie stecken die das eigentlich weg? Dieses ständige Scheitern ist doch zermürbend.

Ich überhole gehend einen anderen gehenden Läufer. Also einen Geher. Auf Fahrrädern kommen uns einige entgegen, die schon ihre Medaillen um den Hals baumeln haben und jetzt nach Hause fahren. Schön. Ich möchte auch endlich da sein. Was ein Scheiß. 20 km. Jetzt ist es wirklich gleich geschafft. Ich laufe wieder. Und ich denke jetzt nicht mehr daran, damit aufzuhören. Vielleicht 500 m vor dem Ziel, vor der letzten Kurve, schieben Sanitäter eine Läuferin auf einer Liege über den Weg. Wie bitter. So kurz vor dem Ziel. Ich möchte nicht, dass mir so was passiert. Ich bin enttäuscht, dass es so lange gedauert hat, dass ich so viel gehen musste und dass mein Körper nicht so wollte, wie ich. Aber ich bin gleichzeitig froh, dass ich die letzten Kilometer auf diese blöde Art durchgehalten habe und jetzt ins Ziel laufen kann. Auf meinen eigenen Beinen.

Es ist nicht mehr viel los, ich bin ja auch spät dran. Ich sehe meine Eltern, finde mein Lächeln wieder und laufe weiter. Kurz dahinter steht Naomi mit ihrer Familie, alle strecken ihre Hände aus, ich klatsche sie ab und bin im Ziel. 21,0975 km. So genau kann niemand laufen, also irgendwas um den Dreh. Ich möchte mich am liebsten hinlegen, aber erst mal was trinken. Also zum Getränkestand. Eine Cola wäre jetzt schön, ne kalte Cola voller Zucker. Gibts nicht. Ich nehme ein Wasser, signalisiere Mama kurz, wo ich bin und lasse mich auf die nächste Bank fallen. Da ist nicht so viel Platz für Freude oder Erleichterung, denn ich bin echt hinüber. Und ich hab Durst. Und Hunger. Papa geht die Urkunden drucken lassen und Medaillen besorgen. Ich kann gerade nur sitzen und freue mich über den Weckmann, denn das hier ist der Martinslauf und alle Läufer bekommen einen. Leider schmeckt der echt beschissen und ist unglaublich trocken. Schließlich komme ich doch noch zu meiner Cola, die schmeckt auch nicht, aber ist trotzdem gerade genau das richtige.


Ich hatte vorher zwei Ziele ausgegeben: unter 2:20 und als Plan B unter 2:30. Jetzt habe ich eine Medaille mit einer Zeit, die da gar nicht draufstehen solle: 2:28:55. Und anstatt mich darüber zu freuen, dass ich meinen ersten Halbmarathon geschafft habe, schmiede ich schon Pläne, was beim nächsten Mal besser laufen muss. Vielleicht muss ich die Strecke mal mit dem Auto fahren und mir klarmachen, wie verdammt weit das eigentlich ist. Vielleicht muss mich auch mal jemand schütteln und sagen, dass ich vor einem Jahr noch nicht mal 10 km am Stück gelaufen bin. Vielleicht muss ich auch endlich mal das Gehen nicht als Versagen werten.

Ich mag jetzt mindestens eine Woche lang gar nichts tun. Natürlich hecke ich auch schon Pläne aus, werde demnächst wohl mit der Verpflegung beim Laufen experimentieren und mir außerdem Strategien überlegen, wie ich negative Gedanken während und auch nach dem Rennen fernhalte. Denn dass auch einfach mal alles super sein kann, hab ich ja beim Seelauf gemerkt - gut zu wissen, dass das also auch geht und ich nicht immer chronisch unzufrieden bin.

Aber jetzt gerade bin ich alleine mit dem Gefühl, dass das "nicht so toll" war, und da hilft kein gut gemeintes "aber schau mal, was du Tolles geschafft hast!". Meinem Kopf ist das klar, aber es fühlt sich nicht so an. Was mich stolz macht und rührt, sind die Leute, die vielleicht mehr an mich glauben, als ich selbst manchmal. Der liebe Kollege aus dem Fitnessstudio, dem ich drei Wochen vor dem Lauf erzählt habe, dass ich mich krank fühle. Seine Reaktion: "Auch wenn du jetzt nicht mehr voll trainieren könntest, du schaffst das trotzdem. Du bist ehrgeizig, vergiss das nicht." Christian, daran habe ich oft gedacht. Und dann, Samstagabend, kam auf einmal dieses Bild von der zauberhaften Denise, die extra ein Schild gemalt hat: "Ihr schafft das." Ja. Haben wir.

Dienstag, 10. November 2015

8 Fragen an... Susi von runskills

Es gibt wohl niemanden, der die Selfie-Stange so selbstverständlich verwendet wie Susi von runskills - sie kann aber nicht nur tolle Fotos machen, sondern ist auch noch eine Rakete auf sämtlichen Distanzen der Laufstrecke (was sie jetzt sicher sofort revidieren wird). Ich folge Susi und Dennis schon lange auf Instagram und habe letztes Jahr sogar ein kleines Weihnachts-Überraschungspaket von den beiden erhalten, weil sie sich kurzerhand überlegt hatten, Sportler mit besonderen Geschichten aus ihrer Timeline zu überraschen. Da denke ich immer noch dran, wenn ich die Kiste bei mir hier stehen sehe! Schade, dass es die beiden jetzt so weit weg nach München verschlagen hat, aber vielleicht begegnen wir uns ja trotzdem demnächst mal im richtigen Leben ;-)

Während ich meinen Lauf vom Sonntag noch etwas sacken lasse und am Artikel tippe, könnt ihr Susis Antworten auf meine Interviewfragen lesen. Los gehts:


Kannst du dich an deinen ersten Lauf erinnern?
Oh ja, mein erster Lauf nach über 10 Jahren Laufabstinenz war im Sommer 2012. Ich war ja als Kind und Jugendliche im Leichtathletik und hatte seitdem ein kleines "Lauftrauma". Es ging damals nur um Siege und Bestzeiten, der Spaß blieb dabei auf der Strecke. Deshalb hat es ein ganzes Jahrzehnt gedauert, bis ich mich wieder in Laufschuhe getraut habe. Mir war das Ganze so peinlich, dass ich mit dem Fahrrad zum Park gefahren bin und dort in den dunkelsten Ecken meine Runden gedreht habe. Nach knapp zwei Kilometern war Schluss - nix ging mehr. Ich bin natürlich viel zu schnell losgelaufen, mit Schuhen die über 6 Jahre alt waren und so einer dicken Jogging-Hose. Währenddessen und danach ging es mir, auf gut deutsch gesagt, beschissen. Mir tat alles weh, ich hatte tierischen Muskelkater und ich dachte, dass ich niemals im Leben fünf Kilometer schaffen würde. Ehrlich gesagt, ich war ein bisschen deprimiert. Aber ich bin am Ball geblieben und hab nicht aufgegeben, denn mein Ehrgeiz war stärker als mein Schweinehund.


Warum läufst du?
Als ich wieder mit dem Laufen angefange habe, wollte ich eigentlich nur einen Ausgleich zum Bürojob finden. Dieses 8-Stunden-Sitzen war total neu für mich, da ich ja vorher noch studiert hatte. Ich habe gemerkt, dass ich einen Ausgleich brauche und mich nach Möglichkeiten umgesehen. Ein Verein kam für mich nicht in Frage, da das für mich nur wieder Druck bedeutete. Also habe ich mir das Einfachste gesucht - Laufen. Natürlich hat sich meine Motivation in den letzten Jahren verändert. Zuerst wollte ich mich "nur" bewegen, dann wollte ich unbedingt eine halbe Stunde durchlaufen können und schon bald kam der Wunsch nach meinem ersten Halbmarathon. Ehrlich gesagt will ich immer mehr. Entweder müssen die Distanzen länger werden oder ich setze mir neue Zielzeiten. Manchmal ist es ganz nett, einfach "nur" zu laufen, aber meistens ist ein Plan schon ganz gut, um neue Ziele zu definieren. Mittlerweile bin ich einen Marathon gelaufen und grübele schon die ganze Zeit, was als nächstes kommt. Ich brauch einfach neue Herausforderungen und möchte wissen, wozu mein Körper noch in der Lage ist.


Welches Ziel möchtest du als nächstes erreichen und was ist momentan dein wöchentliches Pensum? 
Ich habe dieses Jahr alles erreicht, was ich erreichen wollte - meinen ersten Marathon zu absolvieren. Leider läuft es dieses Jahr, im wahrsten Sinne des Wortes, nicht so gut. Ich habe häufig mit Verletzungen zu kämpfen und deshalb ist mein aktuelles Ziel: Schmerzfrei Laufen! Denn das ist die Grundvorraussetzung für neue Ziele. Im Herbst werde ich nochmal einen Halbmarathon laufen (ist sie auch! Und zwar in Köln) und ein paar kleinere Läufe inklusive Staffel. Darauf freue ich mich schon sehr. Für nächstes Jahr ist ein Triathlon geplant, denn das ist totales Neuland für mich. Und ein längerfristiges Ziel wäre der Ironman. Im Moment trainiere ich 4 bis 6 mal die Woche.

Muss Training Spaß machen oder weh tun? 
Ein Training sollte in erster Linie Spaß machen, denn sonst ist man schnell gefrustet und schmeißt alles hin. Ich bin aber der Meinung, dass man häufiger seine Komfortzone verlassen sollte - dann kann's auch schonmal weh tun. Aber so lernt man auch seinen Körper besser kennen und kann seine Grenzen testen. Deshalb rate ich jedem, mal ein Intervalltraining einzubauen oder alternative Sportarten wie Schwimmen zu integrieren.


Was ist das Schöne an deiner Lieblings-Laufstrecke? 
Ich habe direkt hinter meinem Haus einen Park und einen großen See, dort fühlt es sich oft an wie im Urlaub - vor allem am Morgen. Keine Menschenseele, man sieht viele Tiere, hört Vogelgezwitscher und kann einfach die Ruhe genießen.

Wie fühlst du dich, wenn du eine Ziellinie überquert hast? 
Unbeschreiblich. Genau auf diesen Moment trainiert man Wochen oder Monate hin. Eigentlich kann ich diesen Moment nicht in Worte fassen, man muss DIESEN Moment selbst erleben. Nach meinem Zieleinlauf beim Marathon habe ich innerhalb weniger Sekunden alle Gefühlslagen durchlebt, die es gibt. Von Erleichterung, über Wut bis hin zu Stolz, war alles dabei. Da kommen einem auch schonmal die Tränen, denn man durchlebt in einem Rennen eine wahre Gefühlsachterbahn.


Wie bringst du den Schweinehund zum Schweigen? 
Ich glaube ich habe gar keinen mehr. Es gibt zwar Tage, an denen ich nicht soooo große Lust habe, aber mittlerweile ist Sport so stark in mein Leben integriert, dass ein Tag ohne Sport ein verlorener ist. Falls sich der Schweinehund aber doch mal meldet, dann denke ich immer an den Moment NACH dem Sport. Dieses Gefühl, dass man aktiv war und sich dann ein leckeres Stück Kuchen verdient hat, ist einfach unbezahlbar!

Was würdest du Anfängern raten? 
Anfängern rate ich immer, es langsam angehen zu lassen. Gerade Laufen ist ein Ausdauersport, die Disziplin erfordert. Die Erfolge stellen sich nicht von heute auf morgen ein, es dauert schon ein paar Wochen, bis man sich verbessert hat. Außerdem sind Ruhetage sehr wichtig. Leider wird das oft vergessen, aber der Körper wird nicht während des Trainings besser, sondern in den Ruhephasen. Vor allem Anfänger sollten 2-3 sogenannte Restdays einplanen. Am Ball bleiben! Nicht gleich aufgeben, nur weil es mal nicht so läuft. Rückschläge gehören dazu und schlechte Läufe auch, denn auch daraus lernt man wieder. Hol dir wichtige Ratschläge von Leuten, die bereits aktiv sind, denn sie können oft aus Erfahrung wertvolle Tipps geben. Und last but not least: Glaub immer an dich selbst und setz dir Ziele!

Dienstag, 3. November 2015

5 Tage bis zum Halbmarathon - wie läufts denn so?

 

Wer nur den Blog liest und in den letzten Wochen nicht auf Instagram oder der noch halbwegs neuen Facebook-Seite vorbeigeschaut hat, den habe ich ein bisschen vernachlässigt. Entschuldigung. Ich wollte eigentlich schon längst berichtet haben, wie es denn so läuft mit dem Laufen. Nach dem Triathlon im September war die Luft ja erst mal komplett raus. Ich hatte den Plan schon fast verflucht, unbedingt dieses Jahr noch meinen ersten Halbmarathon laufen zu wollen, als dann plötzlich Anfang Oktober der Seelauf in Essen anstand. 14,2 km direkt am Baldeneysee - und die liefen erstaunlich gut, nachdem das Training vorher einfach mal gar nix war.



 
Eine Woche nach dem Seelauf habe ich mich zum ersten Mal an 15 km rangetraut. War vielleicht nicht ganz so schlau, am Tag vorher seit Ewigkeiten mal wieder zu radeln - und dann gleich 60 km. Die Beine waren schwer, ziemlich schwer. 10 km waren auszuhalten und danach musste ich immer wieder kurze Gehpausen einlegen. Schwere Beine und zur Abwechslung mal ein komisches Gefühl in Hüfte und Knie. Prima.


Die kurzen Läufe unter der Woche klappten so weit gut, ich war trotz Dunkelheit, Regen und Kälte (ja, alles auf einmal!) im Park, ich hab Teile der Halbmarathon-Strecke am See angetestet, ich war im Wald und auf der Brückenrunde. Und ich hatte mir die 15 km ein zweites Mal vorgenommen, exakt zwei Wochen vor dem Martinslauf als letzten langen Lauf. Dieses Mal gabs ab km 12 Probleme, wieder kleine Pausen und insgesamt 1:47 Std. Bewegung. Das ist so viel wie noch nie. Es lief beide Male nicht optimal. Und dennoch muss es reichen.


Wenn mir Leute berichten, dass sie schon im Training für ihren ersten Halbmarathon die Distanz mehrfach erreicht haben, muss ich manchmal kurz die Gedankensuppe sortieren und mich daran erinnern, dass das nie mein Plan war. Natürlich habe ich wieder keinen strengen Trainingsplan, aber ich habe mir einige angeschaut und beschlossen, dass meine längsten Läufe vorher nicht mehr als 15-16 km lang sein werden. Immer wenn ich ins Zweifeln komme, ob ich diese Geschichte mit den 21 km schaffen kann, dann rufe ich mir die Triathlon-Kurzdistanz ins Gedächtnis. Da war ich 3 fucking Stunden und 16 Minuten unterwegs. Ja klar, in der Zeit habe ich auch ein bisschen geplanscht und eine kleine Radtour gemacht, am Ende noch eine Wanderung angehängt, immer wieder unterbrochen von kleinen Laufabschnitten. Natürlich ist das was anderes als nur laufen, aber ich habe immerhin schon eine viel längere Belastung ausgehalten als die 2:20-2:30 Std., die ich für den kommenden Sonntag anpeile. Ich bin auch einen 5-Stunden-Spinning-Marathon gefahren. Ja, mit Pipipausen. Aber 5 Stunden! Da kann ich ja wohl mal schnell 2 1/2 laufen.



Mein letzter Lauf war am Sonntagvormittag, 8 km durch den herbstlichen Wald. Ich wollte bewusst langsam und eine kurze Strecke laufen. Und dann liefs auf einmal. Vor lauter blauem Himmel, bunten Blättern und Sonnenschein konnte ich mich gar nicht sattsehen. Also hier mal angehalten, Foto gemacht, dort mal angehalten... Und dann habe ich tatsächlich überlegt, ob ich die Runde nicht noch durch den Wald verlängern könnte, einfach weil es so schön war. Die Vernunft hat gesiegt. Seit diesem Lauf habe ich richtig Bock auf den Halbmarathon. Ich weiß, es wird aller Wahrscheinlichkeit nach kein Zuckerschlecken und alles, was ab km 15 passiert, ist eine einzige Wundertüte. Aber ich freu mich drauf und bin gespannt, was drin ist und wie ich damit umgehen werde. Nur diese herannahende Erkältung, die könnte sich jetzt mal verziehen.