Mittwoch, 24. Februar 2016

Raceday No. 10 - Winterlaufserie Duisburg 15 km

Nur drei Wochen nach dem 10-km-Lauf, dem ersten Teil der Duisburger Winterlaufserie, folgt auch schon Teil zwei. Wenn man die 10 km gerade nach der verletzungsbedingten Pause wieder zum ersten Mal gelaufen ist, dann sind drei Wochen später 15 km ziemlich viel. Für mich. Im Nordsee-Urlaub sind es im Training einigermaßen problemlos einmal 14 geworden, zuhause nochmal 13. Das muss reichen.

Lust habe ich trotzdem keine. Aber so gar keine. Der Lauf ist Samstag Nachmittag um 15 Uhr, was für eine bescheuerte Uhrzeit, zu der das Frühstück schon viel zu lange her ist, Mittagessen aber zu viel ist und es deshalb nur noch Banane gibt. Komplett unlustig packe ich meine Sachen und fahre kurz vor knapp zu meinen Eltern, weil mein Vater ebenfalls mitläuft. Die Startnummer braucht man bei allen drei Läufen und ich bin sicher, dass ich sie vor drei Wochen nicht mit nach Hause genommen, sondern bei meinen Eltern gelassen habe, weil wir ja immer von dort aufbrechen. Wir haben keine Zeit mehr und müssen los, die Nummer ist nicht da. Maximal genervt stelle ich die halbe Wohnung auf den Kopf und finde: nichts. Ich weiß, dass man sich vor Ort eine neue Nummer ausstellen lassen kann, aber das will ich überhaupt nicht, denn meine muss doch hier irgendwo sein. Ist sie aber nicht. Schließlich fahren wir so spät los, dass fraglich ist, ob ich überhaupt noch dazu komme, eine neue Nummer zu holen. Wofür brauch ich die überhaupt? Der Chip ist doch sowieso am Fuß, ich kann doch inkognito laufen.

Wir springen aus dem Auto, noch 15 Minuten bis zum Start. Mir fällt ein, dass ich kein Geld dabei habe. Die neue Nummer gibts aber nicht umsonst. Meine Laune wandert auf dem schmalen Grat zwischen komplett ausrasten und einfach irgendwo hinsetzen und losheulen. Zufällig kommt mir Naomi entgegen und leiht mir einen Euro. Einen Euro! Kann doch nicht sein, dass das hier jetzt deshalb scheitert. Noch 10 Minuten bis zum Start. Es gibt nicht einmal eine Schlange, ich bekomme sofort meine handgeschriebene 1-€-Startnummer. Auf zur Tribüne, Klamotten für später deponieren und noch schnell zum Klo. Die Kloschlangen wollen nicht enden, es ist wie mit der Kasse im Supermarkt. Natürlich stehen wir an der falschen.

Noch 5 Minuten bis zum Start. Ich hab eine Nummer, war auf Klo, bin startklar. Und kann endlich mal durchatmen. Für ein gemeinsames Foto mit Papa, Kati und Naomi kriege ich sogar ein Lächeln hin:


Na gut, dann gehts jetzt wohl los. Wenigstens habe ich keine Zeit mehr, mich wegen der längeren Strecke verrückt zu machen. Wir reihen uns ziemlich weit hinten ein und schieben uns nach dem Startschuss langsam vorwärts. Dieses Mal habe ich meine Uhr dabei, weil ich den 15 km dann doch nicht traue.


Zufällig treffe ich in der Menge Beatriz, die ich vom Radeln kenne. Ich will die ersten Kilometer mit ihr zusammen laufen, da wir es beide langsam angehen lassen wollen. Nach nur einem Kilometer setze ich mich dann unbeabsichtigt doch etwas ab, weil das Gefühl "passt schon" murmelt. Also dann. 


Der Lauf ist komplett unaufgeregt. Ich bin froh, dass ich mich wieder gefangen habe, nicht mehr rumschreien und auch nicht weinen möchte, ich laufe einfach. Ob Lust oder nicht ist gerade auch mal egal. Schneller als ich gucken kann, sind die ersten 4,5 km vorbei und ich komme am Kommentator am See vorbei. Heute läuft keine Musik, die mich irgendwie mitreißen würde und leider sind auch noch keine Läufer auf dem Rückweg, mit deren Bewunderung ich mich ablenken könnte. Also laufe ich weiter. Immer der Läuferin mit der lila Jacke hinterher. Manchmal auch dem Kerl mit der grünen. Wir überholen, werden überholt, so weit, so normal.

Nach 5 Kilometern fängt der Wald an. Im Gegensatz zum letzten Mal müssen wir heute im Wald noch einige Meter machen und um einen weiteren See laufen - davon gibts an der Sechs-Seen-Platte glücklicherweise genug. Ich kenne die Strecken hier als Ausreitgebiet. Ein Pferd wäre jetzt ziemlich schön. Plötzlich gehts bergauf. Was? Seit wann gibts hier Berge? Der Anstieg endet schneller, als er angefangen hat, aber ich lasse auf dem Weg meine Pacemaker in lila und grün zurück. Schade. Aber dafür sind endlich die ersten in Sicht: Während wir parallel zum Hügel laufen, passieren eine Ebene tiefer die schnelleren Läufer gerade Kilometer 10. Jetzt hab ich also endlich wieder was zu tun: gucken, ob ich jemanden kenne. In angestrengte Gesichter schauen. Weiter laufen.

Zwischendurch schiele ich auf die Uhr. Puls will ich lieber gar nicht wissen, fühlt sich alles okay an. Die Zeiten sind im grünen Bereich. Also weiter. Halbzeit, Getränkestation! Das Wasser kommt mir gerade recht, aber es ist leider sehr kalt. Einen halben Becher schaffe ich trotzdem. Mülleimer gibts leider nur direkt neben der Ausgabe, so dass man im Stehen trinken müsste, wenn man den Becher nicht auf den Boden werfen will - na prima. Natürlich habe ich es nicht eilig, aber weil ich immer nur so schwer wieder reinkomme, will ich nicht gehen und schon gar nicht stehen bleiben. Noch ein paar Mülleimer 50 oder 100 Meter hinter dem Getränkestand wären spitze.

Und dann: Rückweg. Kilometer 10. Schließlich 11, raus aus dem Wald. 12, Straße. Ich habe ein Gel dabei, das ich jetzt nehmen könnte, weil wir nicht mehr mittem im Wald in der Mülleimer-freien Zone sind, aber das lohnt sich jetzt auch nicht mehr. Zwei ältere Herren neben mir sprechen sich ab, ob sie jetzt mal das Tempo anziehen wollen. "Du hast doch gesagt, bei Kilometer 12 geben wir Gas!" - "Nee, lass lieber nochmal bei 13 gucken." - "Ok, gucken wir bei 13." Ich lasse die beiden hinter mir. Die Regattabahn kommt in Sicht. Noch zwei Kilometer. Langsam wirds anstrengend. Mit knapp 10° ist es zwar nicht kalt, aber es beginnt zu regnen. Jeder Regentropfen fühlt sich wie Eis an. Ich habe eine Gänsehaut. Langsam reichts. Das Gel wäre wohl doch keine schlechte Idee gewesen. Oder vielleicht doch ein ausgiebigeres Frühstück. Ist jetzt alles egal, die zwei Kilometer packst du auch noch. Noch weniger als 13 Minuten.


Kilometermarke 14. Zurück zum Stadion. Jetzt reicht es echt mal. Eine Samba-Truppe spielt in der Kurve. Ich kriege nicht mal mehr ein Lächeln zustande. "Gleich geschafft!", ruft ein Streckenposten. Ja, ich weiß. Der Kopf weiß das. Er will da auch durch. Aber der Körper nicht mehr so richtig. Einlauf ins Stadion. Naomi klatscht am Rand, wieder bekomme ich die Info, dass mein Vater nicht lange vor mir hier vorbei gekommen ist, aber es ist mir in diesem Moment nichts egaler. Noch 200 Meter. Einen Fuß vor den anderen. Auf der nassen Tartanbahn bloß nicht ausrutschen.

Ziel in Sicht, die letzten Meter. Fotografen hocken unter Regenschirmen, was für ein Scheißjob. Ich hab meinen Job für heute erledigt: der 10. Wettkampf überhaupt, der erste über 15 km, also: Bestzeit! Und die lautet 1:34:10. Ich wollte mir ja keine Gedanken mehr über Zeiten machen, habe ich vorher natürlich grob trotzdem. 1:35 hätte ich schön gefunden, mit 1:40 hätte ich auch leben können. Die 1:34:10 ist ganz wunderbar und freut mich! Den Lauf würde ich allerdings nur zu gern gegen den wirklich tollen 10er von vor drei Wochen eintauschen.


Beim Rennen erfolgreich verdrängt: In 4 Wochen steht Teil 3 im Kalender. Halbmaraton. Irgendwie artet das hier gerade in Arbeit aus. We will see.