Mittwoch, 12. Oktober 2016

Alternatives Wintertraining: Radfahren auf der Bahn

Ich war zum ersten mal auf der Bahn. Mit nem Bahnrad. Und bin im Kreis gefahren. Wieso das überhaupt gar kein bisschen langweilig ist, versuche ich mal in Worte zu fassen. Als Maria fragt, ob ich nicht mal mit auf die Bahn kommen möchte, muss ich nicht lange überlegen: Es hat mit Radfahren zu tun, ich bin dabei!

Sieht im Fernsehen viel flacher aus, so ne Bahn.
Dann stehe ich vor dem Sportforum Büttgen. "Olympiastützpunkt Rheinland" verkündet ein Schild. Na prima. Kann ich hier einfach so rein marschieren? Ich stecke erst mal vorsichtig den Kopf durch die Tür. Der Hallenmeister sitzt in einem Raum direkt daneben. Ich traue mich nicht vorbei und horche erst mal bei Maria nach, ob sie schon da ist. Ist sie. Also vorbei am Hallenmeistermenschen, Treppe runter, Treppe rauf und schon stehste mitten in der Halle. Cool! Auf einem Feld wird Rollhockey gespielt, außen rum düsen die Radfahrer. Die Atmosphäre ist irgendwie speziell. Wie steil ist die Bahn denn bitte?! Da oben soll ich radeln?


Ich brauche erst mal ein Rad. Mit dem Rennrad fahren ist hier nicht, ich muss ein Bahnrad leihen. Das heißt, es hat keine Schaltung, keine Bremse und einen starren Gang. Was das genau bedeutet, werde ich gleich noch lernen, aber erst mal schaue ich in einem kleinen Raum voller Fahrräder vorbei. "Ich würde gerne ein Rad ausleihen!" Ein älterer, etwas kauziger Herr mustert mich von oben bis unten und sagt gar nichts. "Äh, brauchen Sie irgendetwas von mir? Schrittlänge wüsste ich zufällig?" Keine Reaktion. Okay! Dann warten wir halt ab. Er zieht ein froschgrünes Rad aus einer Ecke, ich soll mich mal draufsetzen. Irgendwas gefällt ihm nicht, ich soll wieder runter, er stellt den Sattel etwas tiefer, fertig. "Und das passt jetzt so?" - "Jo." Na dann.


In der Halle finde ich Maria wieder und kündige schon mal vorsichtshalber an, dass ich mich voraussichtlich direkt auf die Nase legen werde. Schon beim Aufsteigen. Ohne Witz, allein das Aufsteigen ist schon eine Herausforderung. Wo pack ich an? Da sind ja keine Bremsgriffe. Am Unterlenker? Nö, einfach oben am Lenker. Wo eigentlich gar kein Platz ist. Ich soll langsam im Kreis fahren. Aber ich bin immer noch nicht mal auf dem Rad! Plötzlich sitze ich irgendwie oben, kriege den zweiten Fuß tatsächlich auch eingeklickt und bin noch nicht gefallen. Check.



Erste Lektion: Hör niemals auf zu treten! Wenn man aufhört zu treten, stirbt man. Das ist eventuell geringfügig übertrieben, aber mir schon erfolgreich ins Gedächtnis eingebrannt. Sollte ich es doch mal vergessen, erinnert mich der starre Gang auf jeden Fall ziemlich schnell daran - für alle Nicht-Radfahrer: Das bedeutet, es gibt keinen Freilauf, man kann nicht einfach rollen lassen, weil die Pedale sich immer mit drehen, sobald sich das Fahrrad bewegt. Find ich prinzipiell etwas beängstigend. Was ist denn, wenn ich nicht mehr treten KANN?

Thei Sprint. Schon irgendwie eine klassische Schönheit, mein grüner Freund für den Abend.
Wir starten nicht direkt auf der Bahn, sondern erst mal auf flachem Boden in der Mitte. Im Kreis fahren kriege ich schon mal hin. Langsamer werden geht auch - einfach langsamer treten. Ha. Dann bremsen. Ohne Bremse. Auch das ist gar nicht so sehr Raketenwissenschaft, wie es sich anhört: Kontern statt bremsen ist angesagt, also einfach der Drehrichtung der Pedale entgegen halten. Ein bisschen so, als wollte man rückwärts fahren. Ich schaffe es tatsächlich, damit zum Stehen zu kommen - natürlich ist das keine Vollbremsung, aber immerhin kommt es mir jetzt so vor, als hätte ich die Kontrolle über die Geschwindigkeit. Allerdings gurken wir immer noch unten in der Mitte um die Spielfelder rum. Ist auch ganz prima so, denn ich will auf gar keinen Fall mit den anderen Radfahrern in Berührung kommen, keinem im Weg sein und im besten Fall auch keinen umfahren.


Wir hängen noch ein paar Runden dran: schneller, langsamer, immer im Wechsel. Ich fahre Maria hinterher und glücklicherweise nicht hinten rein. Dann gehts auf die Bahn, schwupps - schneller als ich gucken kann, fahren wir auf dem unteren blauen Teil. Huiuiuiuiui! Auch der schmale blaue Streifen hat schon eine leichte Schräglage. Ich finds witzig. Und bin auch erst mal vollkommen bedient, von mir aus können wir den ganzen Abend auf dem blauen Rand fahren. Dankeschön, das wars. Maria fährt immer noch vor und ruft mir zu, ich soll mich näher hinten dran hängen. Ist die bekloppt? Ich kann doch nicht bremsen, wenn irgendwas ist! Also, nicht schnell genug.


Es dauert noch eine Weile, bis ich begreife, dass bremsen auf der Bahn eigentlich nicht nötig ist. Langsamer werden geht immer, indem man einfach ein Stückchen weiter nach oben rollt. Äh, fährt. Rollen is ja nich.

Zweite Lektion: Fahr schnell. Physik zum Anfassen: Wer zu langsam ist, fällt runter. Prima. 27-30 km/h soll ich halten, damit ich durch die Kurven komme. 20 Runden darf ich in dem Tempo jetzt erst mal alleine fahren. Was zur Hölle. 20 Runden?! Wie langweilig ist das denn?


Ich drehe also ganz alleine meine Runden auf dem blauen Teil der Bahn, aber aus irgendeinem verrückten Grund macht das Ganze trotzdem Spaß. Oben überholen mich andere und rauschen jedes Mal wie ein Zug vorbei. ÜBER MIR! Ich werde niemals irgendwen überholen und schon gar nicht weiter oben fahren als irgendjemand anderes.


Vor lauter Aufregung darüber, dass andere mich oben überholen, habe ich vergessen, meine Runden mitzuzählen. Schaff ich mit den Bahnen beim Schwimmen ja auch schon nicht, von daher: nichts Neues. Ich lege eine Trinkpause ein und beschließe, dass ich mit der Aufgabe fertig bin. Maria will wissen, ob ich bereit bin, weiter oben zu fahren. Nein. Ja. Ich fahre ihr wieder hinterher. Auf einmal sind wir oben. Und wieder unten. Wieder oben. Unten. Oben. Unten. Okay, krieg ich hin. Das Holz der Bahn knarzt. Ist das wirklich dafür gemacht, um darauf Rad zu fahren? Irgendwie witzig. Wann radelt man schon mal auf nem Holzboden? Im Wohnzimmer?


Ich klammere mich immer noch am Oberlenker fest, aber darf jetzt alleine fahren. Auf der roten Linie. Über der roten Linie. Ich überhole Menschen, die sich unten auf blau einfahren und es ist gar nicht schlimm. Die Gruppen überholen mich jetzt noch weiter oben. Ich hänge mich an jemanden dran. Muss man sich hier abwechseln mit dem Windschatten-Spenden oder wie läuft das? Die gut organisierten schnellen Gruppen lassen immer den ersten nach oben ausscheren, das macht mein Vordermann aber nicht. Also bleib ich mal da, wo ich bin.

Zu schnell fürs Foto.
Mit Windschatten macht das Ganze noch mehr Spaß - komisch, wer hätte das gedacht! Ich drehe alleine noch einige Runden, aber irgendwann sind die Beine durch. Ich bin durch. Wahnsinn, wie anstrengend das ist und gleichzeitig wie wenig langweilig - trotz Runden! Ich hasse Runden. Normalerweise. Ob es wohl schädlich ist, wenn man immer nur links rum fährt? Aus meiner Reitsportvergangenheit weiß ich noch, wie wichtig es ist, beide Hände gleichermaßen zu trainieren (Mit Hand kann übrigens sowohl die Seite (rechts/links) als auch die Pferdebeine (vorne/hinten) gemeint sein. Reiter sind komisch).


Wir bleiben bis zum bitteren Ende. Die Rollhockeyspieler, die immer lautstark in die Bande gekracht sind, sind schon lange weg. Die anderen Radfahrer haben sich auch schon verkrümelt und ich habe die Bahn für mich alleine. Vielleicht möchte ich doch keine Rolle für den Winter. Vielleicht brauche ich ein Fixie.*

Pro Tipps fürs erste Mal Radfahren auf der Bahn:

Unbedingt jemanden mitnehmen, der sich auskennt, den Umgang mit dem Rad und ein paar Regeln erklären kann. Wenn es so jemanden nicht gibt, keine Scheu haben, die Leute vor Ort anzusprechen. Danke Maria, du bist eine klasse Lehrerin! :)

Handschuhe und Brille mitnehmen. Das Lenkerband kann rutschig sein, wenn man ins Schwitzen kommt und tränende Augen vom Fahrtwind sind auch blöd.

Genug zu trinken mitnehmen. Ich hab Trinkpausen gebraucht. Mehrere.

Nicht aufhören zu treten. Niemals!

* Zwei Tage später ist eines bei mir eingezogen. Es heißt Blaues Pony Kurt.