Buch: Cape to Cape - Jonas Deichmann, Philipp Hympendahl, Tim Farin
Vom Nordkap nach Kapstadt - 18.000 Kilometer mit dem Fahrrad. Mieser Vergleich: Das ist etwa viermal so viel, wie ich im Jahre fahre. Nur eben nicht in 365 Tagen, sondern in 73 Tagen und durch alle möglichen Länder und Klimazonen. Keine Frage, das Abenteuer ist groß, die Geschichte gibt einiges her und ist super spannend. Der Extrem-Abenteurer Jonas Deichmann und der Fotograf Philipp Hympendahl sind diese Herausforderung angetreten. Philipp ist mir ein Begriff, weil wir beide aus Düsseldorf kommen und manchmal mit der gleichen Rennradgruppe unterwegs sind, deshalb habe ich die Reise im letzten Jahr schon über Social Media verfolgt. Seit kurzem gibt's im Delius Klasing Verlag das Buch dazu: Cape to Cape*. Ich habe mein Rezensionsexemplar im Herbst mitgenommen, als ich einen Nachmittag bei einem Gravel Event einen Verpflegungspunkt betreut habe. Bei Sonnenschein auf der Wiese verging die Zeit ruckzuck - und am nächsten Vormittag war ich durch mit den 160 Seiten. Definitiv eine kurzweilige Lektüre!
Nach den zwei Tagen hatte ich das Gefühl, all das Gelesene selbst erst einmal verarbeiten zu müssen. Was für ein Ritt! Unvorstellbar für mich, so viele Erlebnisse und so viele Kilometer in so wenig Zeit unterzubringen.
Was mir am Buch inhaltlich besonders gut gefällt: Der Autor Tim Farin schafft es, die unterschiedlichen Einstellungen der beiden Fahrer schön zu transportieren. An so ein Mammut-Projekt gibt es nämlich komplett verschiedene Herangehensweisen und dieser Einblick ist für mich ein echter Mehrwert neben schönen Bildern und tollen Geschichten. Für mich kommt rüber: Es gibt kein richtig oder falsch. Du kannst das so angehen oder eben so.
Ebenfalls ein riesiger Pluspunkt sind die wirklich starken Fotos. Klar, das war zu erwarten, wenn Philipp Hympendahl involviert ist, aber dennoch: Was für Eindrücke! Was mir ein wenig fehlt, sind hierzu mehr Infos: Wie sind die Fotos entstanden, musste oft aneinander vorbei geradelt werden, war der Prozess nervig oder natürlich, wie wurde die Ausrüstung transportiert? Manche Bilder wirken durch den Druck leider etwas grisselig, was den Gesamteindruck für mich jedoch nicht wahnsinnig trübt. Die Mischung aus Bildband und Text ist absolut gelungen.
Die Story nimmt den Leser vom Nordkap mit bis nach Kapstadt und dazwischen durch sämtliche Länder und Stationen. Die Reise ist so vielfältig, die Eindrücke und Anekdoten so zahlreich, obwohl eigentlich nicht viel passiert, weil in erster Linie Rad gefahren wird. Sehr lange. Jeden Tag. Trotzdem gibt es mehr als genug zu berichten und
Cape to Cape* fesselt mich ab der ersten Seite. Als überflüssig empfinde ich die Cliffhanger am Ende vieler Kapitel - die hat das Buch absolut nicht nötig, denn ich hätte es so oder so kaum weglegen können.
Die Sprache hingegen könnte teilweise ein wenig emotionaler sein - hin und wieder habe ich das Gefühl, nicht so richtig dabei zu sein, sondern nachträglich auf das Szenario zu blicken. Das liegt in der Natur der Sache, wenn keiner der Protagonisten das Buch schreibt, sondern ein externer Autor - und ist zweifelsohne eine riesige Herausforderung, die an manchen Stellen gut und an anderen weniger gut gelingt. Nicht falsch verstehen, das ist Kritik auf sehr hohem Niveau - ich finde das Buch großartig, für meinen Geschmack könnte es nur noch etwas tiefer gehen.
Viele Stellen führen mir die Größe und Tragweite der Aktion nochmal herrlich vor Augen: Beispielsweise wie eine Krankenschwester sich über die unbedingt zu behandelnden Sitzprobleme äußert, der Patient am nächsten Morgen aber schon wieder auf dem Rad sitzt; oder die Entfernung zum nächsten guten Radladen von läppischen 400 Kilometern. Ok, cool.
Cape to Cape* ist das richtige Buch für (Rad-)sportler und andere Langstrecken-Fans, die Lust auf Abenteuerluft und ästhetische Bilder haben. Neben viel "krass, was man alles machen kann" hinterlässt das Buch auch den Wunsch, selbst rauszugehen und etwas zu erleben. Es müssen ja nicht gleich 18.000 Kilometer sein.
Cape to Cape
Jonas Deichmann, Philipp Hympendahl, Tim Farin
Delius Klasing Verlag
29,90 Euro
160 Seiten
erschienen am 2. September 2020
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