Mittwoch, 22. März 2017

Rapha Braver Than The Elements - Spring Edition - Düsseldorf

Wenn du als Radfahrer im März Strava oder Instagram aufmachst, kommst du nicht drum herum: Mallorca. Jeder fährt ins Trainingslager, reißt Wochenkilometer und Höhenmeter ab, die andere im Monat nicht fahren und postet traumhafte Bilder, die bei den Daheimgebliebenen das Fernweh entfachen. Blauer Himmel, blaues Meer, grüne Wiesen, endlose Straßen, die typischen Steinmauern, Ziegen am Cap Formentor. Während die einen also in kurz/kurz die ersten Tanlines des Jahres pflegen, bleiben die anderen hier und nehmen, was kommt.


Das ist in dieser Stadt in diesem Jahr so einiges, aber erst einmal: Kälte, Regen, Wind. Wir könnten auf der Rolle trainieren, wir könnten laufen gehen, ins Fitnessstudio oder irgendwo anders hin, wo es warm ist. In die Sauna zum Beispiel. Wer tapfer ist, radelt. Trotzdem oder gerade deshalb. Es gibt eine Chance, der winterlichen Öde zu entfliehen, und sie liegt draußen vor der Tür. Du kannst den Wetterbericht noch so oft checken, aber es ist müßig. Das Geheimnis für gute Laune ist: Nimm die Dinge hin, die du sowieso nicht ändern kannst. Verabrede dich mit Leidensgenossen Gleichgesinnten und mach das Beste draus. So simpel. So gut.



Es ist wieder Zeit für Braver Than The Elements. Nachdem wir im Dezember wirklich Glück hatten und die Runde uns nicht besonders viel Tapferkeit abverlangt hat, sieht es jetzt im März bei der Frühjahrsausgabe etwas anders aus. Acht Grad. Nieselregen. Normaler Regen. Platzregen. Windböen. Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür schicken würde. Könnte auch ein Herbsttag sein, viel zu ungemütlich zum Drachen steigen Lassen, aber perfekt für einen Nachmittag unter einer Decke auf der Couch. Mit Kakao und einem guten Buch. Aus irgendeinem Grund packe ich mich nicht in eine Fleecedecke, sondern in verschiedene Schichten Funktionskleidung und sitze auf einmal auf dem Rad. Jeder, der hier ist, zweifelt kurz an der eigenen Zurechnungsfähigkeit. Und an der der anderen. Die Gruppe ist klein, aber immerhin neun Entschlossene finden sich am Düsseldorfer Marktplatz ein. Es steht die Frage im Raum, ob wir die geplante lange Strecke wegen der wirklich alles andere als einladenden Bedingungen abkürzen. Kollektives Schulterzucken. Jetzt sind wir schon mal hier. Wir beschließen, erst mal aus der Stadt raus zu rollen und dann weiter zu sehen. Nach Norden. Immer der Nase nach. Dem Wetter die Stirn bieten.





An solchen Tagen ist es das Beste, keine Pläne zu machen. Niemand nimmt sich vor, 90 Kilometer durch strömenden Regen, Dreck und Wind zu fahren. Es passiert einfach. Es passiert in der Gruppe, niemals allein. Es passiert, weil es irgendwann egal ist, wenn du einmal draußen bist. Weil die Gelassenheit Oberhand gewinnt. Weil wir zwar die Umstände nicht ändern können, uns aber davon nicht beeindrucken lassen. Wenn du die Brille absetzen musst, weil du vor lauter Matschspritzern nichts mehr siehst, wenn du zwar bis auf die Haut nass bist, aber trotzdem warm bleibst, wenn der Dreck zwischen den Zähnen knirscht, wenn du Pfützen nicht mehr umkurvst, sondern mitten durch fährst, wenn dir der kalte Regen Nadelstiche ins Gesicht setzt, die dich anspornen, schneller zu fahren, wenn du die erste rutschige Abfahrt mit einer Mischung aus Vorsicht und Nervenkitzel nimmst und dem Material schließlich immer mehr vertraust, wenn dir Tropfen von der Nase perlen und du nicht weißt, ob sie Regen oder Schweiß sind, wenn du gleichzeitig lachen und weinen möchtest, weil es so schrecklich schön ist, wenn du zum Nebenmann rüber schaust und ein gesprenkeltes, aber glückliches Gesicht siehst - das ist Radfahren.








Es sind Aktionen wie diese, für die es nur einen Anlass, das passende Setting und einen kollektiven Anflug von Wahnsinn braucht, damit aus Fremden ein Team wird, damit Bekannte zu Freunden werden, damit eine Ausfahrt legendär wird. Niemand wird in ein paar Monaten sagen: "Weißt du noch, diese eine Tour, wo die ganze Zeit die Sonne schien?" - "Welche von den 527, die wir gemacht haben?" Natürlich erinnern wir uns auch gern an die Bilderbuch-Momente. Aber die wahren Geschichten schreibt der Radsport - nicht nur bei den Frühjahrsklassikern, sondern auch bei Braver Than The Elements - unter widrigsten Bedingungen. Weil sie zusammenschweißen. Weil es dann letztendlich egal ist, ob du nach Sa Calobra oder Mülheim an der Ruhr fährst, wenn du die richtige Einstellung und das beste Team um dich herum hast.







Danke Rapha für den Anlass, danke Steffen Weigold für die Strecke und die Fotos. Noch mehr Bilder gibts hier. Schaut rein, es gibt noch viele schöne dreckige Gesichter zu sehen. Auch dreckige Ärsche (angezogen) und nackte Füße. True Story!