Mittwoch, 14. September 2016

Raceday No. 22 - Ratingen Triathlon 2016

Seit drei Tagen grübele ich darüber nach, wieso es so schön ist, in Ratingen zu starten. Warum ich den Triathlon dort so gerne mag, wieso er seit 2014 jedes Jahr fest für Mitte September im Kalender steht. Neben einer Organisation voller Herzblut und einer anspruchsvollen, aber tollen Strecke ist Ratingen für mich vor allem eins: Zuhause. Hier bin ich geboren und aufgewachsen, genau hier bin ich vor zwei Jahren auf die Idee gekommen, mich für einen Triathlon anzumelden und zufällig ist es dann eben der direkt vor der Haustür geworden. Konnte ja damals keiner ahnen, dass das mal was wird mit mir und dem Ausdauersport!
 

Aus Langeweile und weil zu früh wach Zöpfe geflochten. Vorsicht, als nächstes werde ich so ein ätzendes Triathlonmädchen, das Frisurtipps gibt. Wartet nur ab.
Bis aufs Schwimmen habe ich dieses Mal zur Abwechslung keine dämlichen Selbstgespräche zu bieten und auch das eine ist schnell abgehandelt. Bahn 1: Wieso ist die Tante vor mir so langsam, obwohl sie gesagt hat, sie würde was um die 11 Minuten schwimmen? Können die Mädels hinter mir bitte ENDLICH aufhören, an meinen Füßen rum zu grabbeln? Bahn 2: Boah ey, was hab ich keinen Bock auf Schwimmen. Nur 10 Bahnen! Voll wenig eigentlich. Aber die ziehen sich so. Wie langweilig. Wie doof wäre es, wenn ich jetzt aus dem Becken klettere und aufhöre? Wie blöd würden die Zuschauer wohl gucken? Mit welcher Ausrede könnte ich aus der Nummer wieder raus kommen?
 



Andere Sache beim Schwimmen: Rollwenden. Hab ich in letzter Zeit immer wieder geübt, mich zuletzt damit vor einer Woche in einen ziemlichen Flow geschwommen und daher beschlossen: geht schneller, sieht voll profimäßig aus, klappt in 80 % der Fälle ziemlich gut - wird also im Wettkampf gemacht. 10 Bahnen bieten 9 Gelegenheiten, möglichst elegant und schnell zu wenden. Oder halt wie eine Robbe, die nicht weiß wo oben und unten ist, irgendwo in der Nähe des Beckenrandes orientierungslos zu kreiseln, um dann irgendwie doch noch eine Zehenspitze an den Rand zu bugsieren, sich halbwegs abzustoßen und nach Luft japsend auf die nächste Bahn zu - äh - gleiten. Nun ja.

Hat eigentlich irgendjemand jemals beim Atmen nicht wie der weiße Hai ausgesehen? (Danke Svenja, den musste ich einfach klauen)
 

Auf der Radstrecke gibt es eine Sprintwertung: Direkt nach dem Radaufstieg folgt eine Passage Kopfsteinpflaster und dann ein Anstieg, kurz und knackig. Zum ersten Mal ist nicht nur für den schnellsten Fahrer, sondern auch die schnellste Fahrerin ein Preisgeld ausgeschrieben. Ich habe zwar keine ernsthaften Hoffnungen darauf, wills aber trotzdem versuchen. Wäre ja auch blöd, wenn nicht. Blöd ist auch, wenn die Beine dann im falschen Moment aus Pudding sind.



Dass die restliche Radstrecke mit "wellig" auch noch ziemlich euphemistisch beschrieben ist, weiß ich. Zum Glück weiß ich sogar sehr genau, was auf mich zukommt - kann allerdings überhaupt nicht einschätzen, wie schnell ich die 20 km Auf und Ab hinter mich bringen kann. Der Plan lautet deshalb: alles geben. Nach dem verkorksten Sprint sind die Radbeine zum Glück direkt da - vielleicht ist die Sache mit dem Kraulschwimmen doch nicht so dumm. Bei den Freiwasser-Starts dieses Jahr habe ich nach dem Brustschwimmen auf dem Rad mehr kämpfen müssen. Vielleicht liegts an den Beinen, vielleicht auch am Kopf: Ich weiß, das Radfahren wird hart und ich habe Bock drauf.



Schwupps, sind 20 hügelige Kilometer rum. Schade! Darf ich wirklich schon zur Wechselzone abbiegen? Ich darf. Ab auf die Laufstrecke. Es ist der letzte Triathlon in dieser Saison, in diesem Jahr, es ist "nur" ein Sprint, es ist zuhause. Ich habe mir nur eine Sache vorgenommen: Es so schnell wie möglich zu machen. Es ist egal, wenn es weh tut. Es sind nur 5 km. Nur zwei Runden. Das letzte Mal. Diese Gedanken sind so verinnerlicht, dass ich sie mir auf der Strecke kaum vorbeten muss. Das einzige, was ich absolut nicht will: mir hinterher vorwerfen, es wäre noch was gegangen. Wäre mehr drin gewesen. Also laufe ich. Höre auf zu denken und laufe. Gucke nicht auf die Uhr, nicht auf den Puls, schaue in Gesichter, auf die Strecke, auf mich und stelle gegen Mitte der zweiten Runde fest: Es ist hart. Ich will es so. Und ich schaffe das.


Ich will auf keinen Fall gemütlich ins Ziel traben, ich will schnell sein, ich will den Konjunktiv streichen, hinterher nicht hadern, ich will die Saison abschließen, stolz sein und ich will die eineinhalb Stunden knacken. Nach 1:24:59 laufe ich ins Ziel. BAM! Her mit der Wassermelone!


Die einzelnen Zeiten sehen so aus:

500 m Schwimmen: 12:53 min
20 km Rad plus beide Wechsel: 42:59 min
5 km Laufen: 29:08 min

Fun Fact: Das sind insgesamt fast 20 Minuten weniger als vor zwei Jahren. Die meiste Zeit habe ich auf dem Rad eingespart - und habe übrigens mit dem dicken Bruno die 9. schnellste Radzeit von 91 Frauen hingelegt. Man gebe mir ein Triathlonrad und ich gehe sofort nochmal auf die Strecke! Mit der unterirdischen Schwimmzeit und dem okayen Lauf reicht es insgesamt für Platz 30 von 91. Achja, der Bergsprint. Fühlte sich grauenvoll an, ist aber Platz 5 von 301 geworden. Huch!


Nach meinem einsamen Kö-Lauf vor einer Woche weiß ich übrigens spätestens in Ratingen sofort wieder zu schätzen, wie wichtig der Support ist. Meine Eltern zum Beispiel - die könnten am Wochenende ja auch mal was Schönes unternehmen. Stattdessen sitzen sie entweder in der Handball-Halle oder stehen auf Triathlon-Veranstaltungen wahlweise in der Sonne oder im Regen rum, um entweder der einen oder der anderen Tochter beim Schwitzen zuzugucken (der Unterschied ist nur, dass man die eine währenddessen vollständig beobachten kann und die andere außer beim Schwimmen ja ständig woanders ist).

Da sind Helfer, die um 6 Uhr morgens im Freibad stehen, als es noch dunkel ist. Die Absperrgitter durch die Gegend schleppen, Brötchen schmieren, Bahnen zählen, den Weg weisen, die Strecke sichern, unermüdlich Wasserbecher füllen... Besonders charmant beim Heimspiel: Alle diese fleißigen Hände gehören nicht irgendwelchen namenlosen Freiwilligen, sondern Georg, Marcus, Stefanie, Dany, Reiner, Steffi und und und. Ihr glaubt nicht, was ein "Super, Maren!" beim Wechsel (also dort, wo die normalsterblichen Fans ja nicht hinkommen), die Wunschbadekappenfarbe oder ein Willkommenheißen auf der Laufstrecke so ausmachen! 

Da sind Trainingspartner, die längst zu Freunden geworden sind, die sich von ihrem Longrun auch mal schön am See erholen und gepflegt Nichts tun könnten - stattdessen schleppen sie ihre Kameras in den Nachbarort, sind den ganzen Tag auf den Beinen, hören sogar zu, als ich mich beschwere, dass ja keiner anfeuern kann, wenn beide fotografieren (und wechseln sich daher ab) und hecken obendrauf noch Konfettikanonen-Überraschungsaktionen aus.

Während des Zieleinlaufs gut zu sehen: Die Konfettikanone. Nicht zu sehen, weil nicht vorhanden: Konfetti. Wir üben das dann nochmal.
Genauso wichtig wie die Triathlonfamilie am Rand ist die im Rennen: Du kannst den Kram halt entweder alleine für dich irgendwo am Ende der Welt machen, oder zuhause, wo du gefühlt jeden zweiten Starter kennst. Die bekannten Gesichter und abgeklatschten Hände auf der Strecke werden hier immer mehr - wie wunderbar ist das? Allen voran mein Favourite Racing Buddy Naomi, die eine mordsmäßige Saison hingelegt hat, jetzt endlich weiß, wovon ich rede, wenn ich die Ratinger Radstrecke als Vergleich für irgendwas ranziehe und die den besten aller Sätze gesagt hat: "Wenn ich nächstes Jahr vernünftig Kraulschwimmen kann, üben wir den belgischen Kreisel im Wasser." So und nicht anders!


DANKE euch allen! Ich weine der Saison jetzt noch ein wenig hinterher und schmiede dann schon mal langsam Pläne fürs nächste Jahr. Hat großen Spaß gemacht mit euch!

Fotos: Christian Siedler, Ferdi Hierl. Merci.