Montag, 5. September 2016

Raceday No. 21 - Kö-Lauf 2016

Spontane Ideen sind immer die besten. Daher überlege ich nicht lange, als Naomi fragt, ob ich ihren Startplatz für den 10er beim Kö-Lauf haben möchte, weil sie beim Triathlon einspringt. Solche spontanen Geschichten muss man unterstützen, also bin ich dabei. Auch, wenn heute sonst keiner hier ist: Die Triathlon-Gang-Mädels sind über Willich, Xanten und Bottrop verteilt und auch sonst kenne ich keinen, der hier heute 10 km läuft. Die Herren aus dem Team Halbmarathon entpuppen sich als treulose Tomaten und wollen erst kurz vor ihrem eigenen Start eineinhalb Stunden später anreisen (es sei ihnen verziehen, aber nur wegen des Starkregens!). Also stiefele ich alleine zur Kö.


Ich bin trotzdem 20 Minuten zu früh da. Ich warte alleine. Es gießt wie aus Eimern, also stelle ich mich unter. Alleine. Warten. Mit keinem sprechen. Besorgte Gesichter schauen in Richtung Himmel. Ich habe keine Jacke dabei, weil keiner da ist, der sie während des Laufs festhalten kann. Startbeutel abgeben für nen 10er? Pfffft. Aber ich mag Regen. Beim Laufen ist Regen prima. Die Startzeit rückt näher, aber die Strecke ist noch besetzt: Teilnehmer des Rehacare-Laufs trudeln ins Ziel ein. Gemeinsam sind behinderte und nicht behinderte Sportler 1,1 km um die Kö gelaufen - und wer sich dabei Zeit gelassen hat, wird jetzt unter frenetischem Jubel empfangen. Rechts und links der Strecke stehen die 10-km-Läufer Spalier, die sich die Wartezeit mit Applaus vertreiben. Was für eine Stimmung!


Ich bin zwar ganz alleine hier, aber plötzlich Teil einer vorfreudigen, jubelnden Masse, die irgendwie Eins ist. Schließlich sind alle im Ziel und wir nehmen unsere Startaufstellung ein. Meinen letzten 10er bin ich Ende April bei der Breitscheider Nacht gelaufen: 56:10 Minuten. Dass ich das unterbieten kann, weiß ich - allerdings nicht, wie weit. Ich peile eine Zeit unter 55 Minuten an und plane, mit einer Pace knapp unter 5:30 min/km durchzulaufen. So weit die Theorie. Weil ich direkt nach dem Rennen gefragt wurde, was ich währenddessen eigentlich so gedacht habe (so ganz alleine!), kommen hier 10 km und 10 Eindrücke. Startschuss!


1. Kilometer: Scheiße, ist das voll! Was zur Hölle! Wie soll das was mit der Bestzeit werden, wenn ich hier gar nicht von der Stelle komme? Sind alle diese langsamen Leute wirklich vor mir gestartet? Wieso stand ich denn so weit hinten? Idiotisch, nächstes Mal kannste dich echt ein bisschen weiter nach vorne stellen. Boah, ist das eng hier! Kurven. Kopfsteinpflaster. Nasse Gitter auf dem Boden am Kö-Bogen - ob ich es fertig bringe, mich schon nach 500 Metern auf die Fresse zu legen? Nein. Puh, gut. Gehts da hinten in der Kurve bergauf? Boah nee, echt jetzt? Ah, gar nicht so schlimm. War das da gerade ein Schild? Frage von links: "War das gerade der erste Kilometer?" Ich glaub, das Schild war nur für die Halbmarathon-Läufer.

2. Kilometer: Ah, da kommt unser Schild. Guck auf die Uhr! 5:10 min. Ups! Naja, läuft grade gut. Weiter so! OH! Ist das ein Baum hier mitten auf der Strecke?!

3. Kilometer: Immernoch 5:10 min/km. Ooookay, immerhin gleichmäßig, aber viel zu schnell! Das läufst du so doch niemals bis zum Ende! Du bist zwei Kilometer so gut wie gerannt! Jetzt kannste aber wirklich mal ein kleines bisschen rausnehmen.

4. Kilometer: Ist das ein Matsch hier im Park! Ob ich es schaffe, den Jungs während des Laufs zu schreiben, dass sie Trailschuhe für den Halbmarathon anziehen sollen?

5. Kilometer: Ach was solls. Das werden sie schon selber merken, dass es nass ist. Ah, Rückweg! Oh, da ist schon die Kö. Nur noch einmal rum, dann Zieldurchlauf und auf die zweite Runde. Äh. Zieht sich ja schon ein wenig, diese blöde Straße hier!


6. Kilometer: Oh! Knapp 26 Minuten für 5 km. Schneller als beim Brückenlauf. Nur da war nach 5 km Ende. Puh. Jetzt gehts also auf die zweite Runde. Du hast es so gewollt! Fühlt sich anstrengend an, aber irgendwie gut.

7. Kilometer: Was war das für ne bescheuerte Idee, mit 5:10 loszulaufen?

8. Kilometer: Was zur Hölle! Die Beine laufen noch, aber nicht mehr lange. Kannst du es irgendwann mal hinkriegen, einen negativen Split zu laufen? Schön locker starten und gegen Ende nochmal ne Schippe drauflegen? Wie ausm Lehrbuch, wär doch mal was. Aber so leidest du hier jetzt auf den letzten Kilometern, toll gemacht.

9. Kilometer: Getränkestand. Wasser wäre nicht übel! Ok, ein Schluck reicht, war doch keine so gute Idee. Wobei auf die Kö kotzen irgendwie auch keine schlechte Aktion wäre.

10. Kilometer: Da gegenüber ist das Ziel. Was soll die Scheiße, hier jetzt nochmal diesen Schlenker zu laufen? Oh, Lautsprecherdurchsage. Siegerehrung 5 km. Was, deren Strecke war 200 m zu kurz? Laufe ich dann gerade 400 m zu wenig? Wozu streng ich mich eigentlich an? Na prima. Was machen die Fahrradpolizisten eigentlich mitten auf der Laufstrecke? Überhole ich die jetzt oder was? Achja, jetzt können sie auf einmal doch schneller fahren. Letzte Kurve! Jetzt ist auch alles egal. Renn in das scheiß Ziel!
 
 

Im Ziel. Atmen. "Maren!" Oh Mann, hä was wo? Daniela steht am Rand und hat meinen Zieleinlauf beobachtet. Ich wusste nicht, dass sie hier ist; sie wusste nicht, dass ich hier bin. Wie schön ist das denn? Ich kämpfe mich durch den Nachzielbereich, stoppe die Uhr viel zu spät und stolpere zu ihr rüber. Ich bin irgendwas um die 53 min gelaufen, aber will mich erst so richtig freuen, wenn ichs ganz genau weiß. Unter 55 min hat ja schon mal geklappt! Die Ergebnisse sind online: 52:44 min. Krasser Scheiß! Ich hätte im Leben nicht gedacht, dass ich so schnell laufen kann. 

Gelernt vom Kö-Lauf:

Alleine ist kacke. Vor allem vorher und nachher - die zufällige Begegnung war großartig! Umso dankbarer bin ich nach dem blöden alleine Rumstehen und alleine Laufen für alle Zuschauer, die in letzter Zeit sonntagsmorgens zu irrwitzigen Uhrzeiten aufgestanden sind, nur um mehrere Stunden am Streckenrand auszuharren. Ohne euch ist es nicht das gleiche!

Und: Weniger denken. Mehr laufen.