Freitag, 11. August 2017

Raceday No. 41 - Preis von Bochum Wiemelhausen

Im letzten Jahresrückblick hatte ichs angesagt und jetzt kann ich einen Haken dran machen: Podiumsplatz - check! Dieses Mal nicht beim Triathlon, sondern tatsächlich beim Radfahren. Und eigentlich ist das alles gar keine so große Sache, weil beim Preis von Bochum Wiemelhausen nur zwei Frauen am Start waren und ich eben vor der zweiten über die Ziellinie gefahren bin - keine allzu heldenhafte Geschichte. Aber nach dem Reinfall bei meinem ersten Kriterium in Krefeld Bockum freut es mich doch umso mehr. In Krefeld bin ich theoretisch auch erste Frau geworden, der Veranstalter hat aber komplett ignoriert, dass drei Frauen am Start waren. Es gab keine eigene Wertung und auf Nachfrage nur ein Schulterzucken und: "Ihr wart doch im gleichen Rennen." Tjoar, wir hätten ja einfach gegen die Männer gewinnen können. Das hat mich ziemlich geärgert - nicht nur, weil ich gern auf dem Treppchen gestanden hätte, sondern vor allem, weil ich die Anerkennung unserer Leistung genauso vermisst habe wie das Verständnis für die Problematik an sich. Aber es geht auch anders - und deshalb kommt hier der Gegenbeweis.


Die Entscheidung, in Bochum zu starten, ist ziemlich kurzfristig gefallen. Eine gerade erst überstandene Erkältung und ein kleiner Sturz mit dem MTB zwei Tage zuvor haben mich zögern lassen. Hätte ich die Strecke vorher gekannt, hätte ich mir den Start wohl auch nochmal sehr gut durch den Kopf gehen lassen ... 1,3 Kilometer, davon 600 Meter bergab, 500 bergauf und den kurzen Rest flach. Dazu Kopfsteinpflaster, sowohl hoch als auch runter. Könnte einfacher sein. Daniel und Alex vom Cycling Club Düsseldorf sind auch hier, und nachdem wir die Strecke besichtigt haben, wird mir klar, dass das ein einsames Rennen für mich wird. Viel zu selektiv ist der Kurs - und kein Hinterrad der Welt werde ich an diesem fiesen Anstieg halten können.



Zum Glück sind es nur 19,5 Kilometer, 15 Runden. Eine Runde hat 22 Höhenmeter, was schon fast niedlich klingt, in der Realität aber durchaus furchteinflößend aussieht und in der Summe definitiv anstrengend wird. Oh Mann. Warum nochmal? Außer mir ist nur eine andere Frau am Start. Mein Plan lautet daher: Dran bleiben. 200 Meter nach dem Start scheiße ich auf den Plan und beschließe, mir lieber einen kleinen Vorsprung rauszufahren und dann mal weiter zu sehen. Die neue Taktik ist hervorragend. Eine halbe Runde lang. Bis zum Anstieg. Die Abfahrt und den Hügel trennen nämlich drei Kurven bergab - die ersten beiden sind okay, aber die dritte hat fast 180°. Beruhigend, dass genau hier schon ein Krankenwagen hinter der Absperrung bereit steht - ich möchte ihn nicht brauchen. Deshalb leite ich all die schöne Energie aus der Abfahrt in die Bremsen und nicht in den Anstieg - schöne Scheiße.


Beim ersten Mal drücke ich trotzdem aus irgendeinem verrückten Grund viel zu schnell hoch. Noch 14 mal hier rauf? Ohne mich. Und ohne das Tempo. Die Zuschauer oben sind großartig und entschädigen ein kleines bisschen dafür, dass die Steigung nicht bei der Start-/Ziellinie endet, sondern sich noch einige Meter weiter zieht. Endlich oben angekommen ist das Wichtigste: klar kommen. Atmen. Atmen! Wo zur Hölle sind eigentlich die Beine? Nie wieder werde ich aufs große Blatt schalten. Ich eiere einfach im kleinsten Gang um den kompletten Kurs, was solls?!

In der ersten Kurve nach dem Start liegt einer dieser Verkehrsberuhigungshubbel (die Niederländer haben da mit Drempel definitiv das einfachere Wort). Während ich hier in der ersten Runde unsanft hoch gerumpelt bin, versuche ich es dieses Mal mit einem Bunnyhop - elegant ist anders, aber immerhin. Es wird der erste und letzte sein, denn ab Runde drei fehlt mir die Kraft. Für alles. Kurz vor der Abfahrt beschließe ich, dass ein dickerer Gang doch eine Option ist. Das könnte alles so schön sein hier, wenn da nicht dieses Kopfsteinpflaster inklusive Spurrillen wäre. Meine beim MTB-Sturz angeschlagene Schulter findet die Hoppelei ganz und gar nicht witzig, so dass ich den Lenker bergab hauptsächlich mit der anderen Hand festhalte. Könnte echt besser laufen.


Wie kann es sein, dass dieser scheiß Anstieg schon wieder da ist? Hier war ich doch gerade erst! Ich krieche hoch. Irgendwie. Keine Ahnung, wo die Beine heute sind. Auf jeden Fall nicht in Bochum. Der Hügel tut weh, das kurze flache Stück danach tut weh, die Abfahrt ist auch alles andere als Erholung. Nach sechs Runden will ich nicht mehr. Was, wenn ich jetzt einfach aufhöre? Sicherer Podiumsplatz hin oder her, ist ein Rennen mit zwei Fahrerinnen nicht sowieso ein ziemlicher Witz? Was mache ich hier überhaupt? Es war klar, dass es hart wird, das Ganze alleine zu fahren, aber so hart? Ich würde gerne mal einfach nur mitrollen, eine Gruppe finden, irgendein Hinterrad. Da ist aber niemand ähnlich langsam wie ich. Stattdessen überrunden mich ein paar Fahrer, darunter Alex. In der kurvigen Abfahrt findet er die Zeit mir zu zurufen, dass ich gut unterwegs bin. Achja, die Lügen des Ausdauersports. Sie wirken immer.


Als ich mich das nächste Mal mit Hängen und Würgen diesen verdammten Berg hochgekämpft habe, nennt der Kommentator am Start/Ziel gerade meinen Namen und fragt laut, ob es eigentlich eine Frauenwertung gibt. Das frage ich mich auch. Mittlerweile ist auch den Zuschauern mein Leiden nicht entgangen. Gefühlt wird der Applaus dort oben mit jeder Runde stärker. Auch die Streckenposten feuern mich an. Der Kommentator erzählt schon wieder, wie ich heiße, und dass Susanne, die zweite Frau, mir auf den Fersen sei. Oh. Mit leeren Beinen und leerem Kopf komme ich oben an, möchte nie wieder hochschalten und wünsche mir nichts mehr, als dass dieses Flachstück nur ein paar Meter länger wäre. Ist es aber nicht. Es geht schon wieder bergab, und wenn ich irgendwo Zeit rausholen kann, dann ist das definitiv nicht bergauf. Also nix mit rollen lassen, sondern Kette rechts und treten, was geht. Und den Lenker festhalten. So gut wie möglich.




Dann das gleiche Spiel von vorn: In Zeitlupe den Mount Everest hoch fahren und oben die Beine suchen. Jedes Mal, wenn der innere Kampf zwischen aufgeben und durchziehen gerade in Richtung Füße hochnehmen und nur noch langsam rollen tendiert, kommt die Abfahrt und der Gedanke: jetzt oder nie. Entweder zusammenreißen, hier den Vorsprung wieder ausbauen oder gleich überholt werden. Ich werde nicht überholt. Mein Rennen endet nach 12 Runden, 17 Kilometern und 38 Minuten. 27er Schnitt. Klingt peinlich - da bin ich schon im Triathlon deutlich schneller gefahren. Dass der Sieger auch "nur" einen 36er Schnitt gefahren ist, verrät wohl genug über das Profil der Strecke. Meine schnellste Runde lag übrigens bei knapp unter 33 km/h und war - natürlich - die allererste. Laktatdusche olé. Dass ich trotz der enttäuschenden Zahlen alles gegeben habe, wird mir erst nach dem Rennen klar. Während die Jungs schon über Eis und Kuchen philosophieren, will ich nur in den Schatten und darauf warten, dass mir nicht mehr schlecht ist. Selbst die obligatorische Cola, die mir sonst immer den Arsch rettet, ist heute nicht verlockend. Bochum, du warst ganz schön hart. Aber auch ganz schön geil!



Lieber RSV Bochum, danke für eine top organisierte Veranstaltung, für einen tollen Kommentator, großartige Zuschauer und die Selbstverständlichkeit, die Frauen mit aufs Treppchen zu bitten, selbst wenn nur zwei am Start waren. Danke für Urkunde, Medaille und Preisgeld, das mir sogar noch hinterher getragen wurde, weil ich mich über all die Aufmerksamkeiten davor schon genug gefreut hatte. So sollte das sein!

Mittlerweile dürfte der Stil euch bekannt sein - Christian Siedler hat fotografiert. Danke dafür und für die Begleitung! Noch mehr Bilder gibt's hier.