Donnerstag, 13. April 2017

Raceday No. 33 - Citylauf Lintorf 2017

Vor ziemlich genau drei Jahren bin ich zu meinem ersten Lauf angetreten. Ich hatte Ende Januar 2014 mit dem Training begonnen und wollte eigentlich im September bei Tough Mudder mitmachen. Dass daraus nie etwas geworden ist und ich stattdessen beim Triathlon gelandet bin - die Geschichte kennt ihr. Auf dem Weg dort hin gab es diesen ersten Lauf, einen schrecklich schönen 5er, zuhause auf dem Dorf, organisiert von "meinem" Verein. Ohne die Begleitung meiner Schwester hätte ich damals schon vor Ende der ersten Runde aufgegeben. Ihretwegen bin ich mit einer Mischung aus gehen, laufen und fluchen irgendwie ins Ziel gekommen - nach 36 Minuten und 19 Sekunden.


Jetzt, exakt drei Jahre später, stehe ich an genau der gleichen Startlinie. Citylauf Lintorf, 5 km. Heute geht es schon lange nicht mehr ums Ankommen. Die Frage lautet nicht mehr, ob ich die Strecke schaffe, sondern: Wie schnell kann ich laufen? Wobei heute selbst das nebensächlich ist. Ich würde gern die 25 Minuten auf 5 km knacken - aber nicht heute. Nicht nach zwei Radeinheiten und einem langen Lauf innerhalb der letzten drei Tage. Ich stehe heute nur am Start, weil ich hier zuhause bin, weil genau hier alles anfing. Und weil ich die Veranstaltung unterstütze, indem ich nun zum dritten Mal in Folge einen kleinen Stand betreibe und vegetarische Chili-Wraps verkaufe.


Als ich am Vorabend vier Stunden in der Küche stehe, um 13 kg Chili zu kochen, wird mir klar, dass ich damit den allerkleinsten organisatorischen Teil übernommen habe. Und dass der Otto-Normal-Läufer selten eine Vorstellung davon hat, was sich hinter den Kulissen jedes gewöhnlichen Volkslaufes eigentlich so abspielt. Dass der Berlinmarathon eine wahnsinnige organisatorische und logistische Herausforderung ist, da sind sich wohl alle einig. Aber der 10er aufm Dorf nebenan, den man für 10 Euro melden kann, um sich mit ein paar Hundert anderen Volksläufern um die Altersklassenplatzierungen zu duellieren? Auch da steckt weit mehr Arbeit drin, als am Veranstaltungstag sichtbar ist.


Die Vorbereitungen beginnen etwa ein Jahr im Voraus: Es geht um Planungen, Anmeldungen, Genehmigungen. Behörden und Anwohner wollen informiert werden, Drucksachen müssen gestaltet und beauftragt werden, ein Anmeldesystem für die Läufer freigeschaltet werden. Die Kommunikation beginnt. Pressearbeit, Newsletter, Social Media. Helfer werden rekrutiert. Anwohner finden Flyer im Briefkasten, wollen Informationen, ob und wie die Strecke befahrbar ist. In der Woche vor dem Lauf gibt das Telefon keine Ruhe. "Wir wohnen in der XY-Straße, wie kommt der Besuch am Sonntag am besten zu uns?" - "Wie melde ich meine Kinder zum Bambini-Lauf an?" Es nimmt kein Ende.


Startnummern, Medaillen und Pokale werden gestaltet, bestellt und treffen schließlich rechtzeitig ein. Aufstellen von Parkverbotsschildern. Beutel mit Verpflegung für die Helfer werden gepackt. Aufbau des Meldebüros. Ausgabe der Startnummern, Annahme von Nachmeldungen. Antworten auf alle Fragen. Der Abend vor dem Lauf: Eine dreistellige Anzahl von Nachmeldungen wird per Hand ins System eingepflegt. Der Tag ist lang. Die Nacht ist kurz. Um halb 6 klingelt der Wecker, um 7 Uhr treffen das Orga-Team und die Aufbauhelfer vor Ort ein. Zelte, Tische und Bänke werden aufgebaut. Straßensperrungen und Pylone werden aufgestellt. Es wird geschleppt, gespült, Kaffee gekocht und Kuchen verteilt. Streckenposten positionieren sich. Weisen Läufern den Weg, diskutieren mit Autofahrern, lassen sich ausfragen und beschimpfen. Helfer füllen Wasserbecher, schneiden Äpfel und Bananen in Stücke, reichen alles im richtigen Moment an. Radfahrer begleiten die ersten und die letzten Läufer. Techniker, Sanitäter, Kommentatoren und Fotografen beziehen ihre Posten, Wertmarken werden verkauft, der Grill wird angefeuert, das erste Bier läuft durch den Zapfhahn. Wir schmeißen die Gulaschkanone voller Chili an, schneiden Salat, rühren Guacamole und hauen Wraps in die Pfanne.


Eine Schar Heuschrecken fällt über Grillwürste, Kuchen und Wraps her. Nachdem alle Läufe gelaufen, alle Sieger geehrt und die meisten Vorräte verspeist sind, geht das Schleppen von vorne los. Viele helfende Hände bringen bis in die Abendstunden alles wieder an Ort und Stelle. Sammeln Pylone und Schilder ein, bauen Bänke, Tische und Zelte ab, räumen Müll weg, klauben Kabelbinderschnipsel von der Straße. Der 10. Lintorfer Citylauf 2017 in Zahlen: 1.033 gemeldete Läufer, 944 Finisher, 150 Helfer, 350 Pylone, neun Kisten Äpfel und Bananen, 4000 Trinkbecher. Meine persönlichen Zahlen: 5 km, 25 Minuten, 42 Sekunden. Knapp, aber: Neue Bestzeit. Danke, Lintorf!