Dienstag, 2. Oktober 2018

Raceday No. 64 - BMW Berlin-Marathon Inlineskating

Ich stehe in einer Menschenmenge auf der Straße des 17. Juni. Vor mir Videoleinwände und die Siegessäule, hinter mir das Brandenburger Tor und die Ziellinie. Spannung liegt in der Luft. Glockenschläge ertönen. AC/DC - "Hells Bells". Dann die ersten Akkorde. Wen das kalt lässt, der hat kein Herz. Stimmung können sie hier in Berlin, und zwar so richtig. Das habe ich schon vor zwei Jahren gespürt, als mich schon das bloße Zuschauen beim Start des Berlin-Marathons so sehr berührt hat, als würde ich selbst laufen. Dieses Jahr stehe ich zwar an der Marathon-Startlinie, aber ich werde nicht laufen, sondern inlineskaten.


Wie vor dem ersten Radrennen - das 2016 übrigens auch in Berlin war - frage ich mich kurz vor dem Start, ob das alles wirklich eine gute Idee ist. Anders als beim Laufen hängt meine Sicherheit auf der Strecke nicht nur davon ab, ob ich über meine eigenen Füße stolpere, sondern auch davon, was die anderen um mich herum so machen. Genauso könnte ich selbst mit einem Sturz jemanden gefährden, eine Kurve nicht kriegen, mit irgendwem zusammenstoßen. Bumms. Wie schon beim Radrennen male ich mir sämtliche Szenarien vorher aus - mit dem Unterschied, dass ich weitaus besser radfahren als inlineskaten kann. Nun. Ich habe mir das so ausgesucht, also hielt ich den Plan Inline-Marathon anscheinend mal für eine gute Idee.

Das war im Juni. Rollerblade hatte mir den Macroblade 110 3WD zur Verfügung gestellt und ich war von Anfang an angefixt. Die großen Rollen machen Spaß, ermöglichen ziemlich mühelos eine angenehme Geschwindigkeit und schlucken auch schon mal kleine Unebenheiten weg. Trotzdem war mein Training eher minimalistisch. Die längste Strecke war 28 Kilometer lang. Anders als ich es vom Laufen kenne, habe ich nicht mehrere 30er absolviert, sondern bin hin und wieder ein bis zwei Stunden durch die Gegend gerollt, hauptsächlich um mich an das neue Sportgerät zu gewöhnen. Manchmal alltägliche Wege, manchmal Radstrecken. Ob ich mich gut vorbereitet fühle? Nicht wirklich.


Das Kribbeln vor dem Start erinnert mich daran, warum ich das mache. Genau dafür. Erste Herausforderung: Nicht über die Matte für die Zeitmessung beim Start stolpern. Check. Noch eine Parallele zum Radrennen: Mit den ersten Metern nach dem Startschuss ist die Unsicherheit wie weggeblasen. Die Straße ist breit und es ist nicht so voll wie befürchtet. Ich habe ziemlich schnell ein Gefühl, wie das hier funktioniert und durch welche Lücken ich mich durch wieseln kann. Und das wichtigste: Es ist gar nicht schlimm! Ich habe keine Angst.

Stattdessen verliere ich schon auf den ersten Kilometern meine Begleitung, weil mir der Gedanke nicht in den Sinn kommt, dass ich tatsächlich schneller sein könnte. Als plötzlich das Schild für Kilometer 10 auftaucht, realisiere ich, dass ich schon viel mehr Strecke als gefühlt zurück gelegt habe und immer noch alleine bin. Ich richte mich darauf ein, dass das so bleibt, wenn ich nicht warten will. Will ich nicht. Ich will das hier so schnell schaffen, wie es Spaß macht und wie ich heute kann.


Freunde stehen schon eine halbe Ewigkeit am Strausberger Platz, nur um mir einmal kurz zuzujubeln, während ich schnell vorbei husche. Ich hätte nicht gedacht, dass heute überhaupt schon Zuschauer da sind - natürlich ist die Stimmung am Streckenrand nicht mit der am Marathon-Sonntag zu vergleichen, aber ich bin überrascht, wie viel dann doch schon los ist.

Im Gegensatz zum Lauf-Marathon ist so ein Inline-Marathon wunderbar kurzweilig. Ich habe nicht die geringste Vorstellung, wie schnell ich über die Distanz fahren kann und ich habe auch keine Uhr, um den Überblick zu behalten. Also fahre ich einfach und wundere mich über die Kilometer-Schilder. Was, schon Halbmarathon? Geil!

Im Windschatten bin ich bisher noch nicht so richtig gefahren, weil einfach niemand in der Nähe ist, mit dem die Geschwindigkeit passt. Ich überhole viel und werde auch überholt, manchmal von ganzen Zügen, die aufgereiht in gleichen Trikots hintereinander her rollen. Mit einem dieser Züge liefere ich mir ein kleines Rennen im Rennen, wir überholen uns immer wieder gegenseitig. Zum Glück ist die Strecke breit genug und bis auf wenige Ausnahmen macht der Fahrbahnbelag auch Spaß. Irgendwo nach Kilometer 30 geht es eine Zeit lang leicht bergab und der Asphalt rollt ganz wunderbar. Herrlich!


Am Potsdamer Platz werden mir mehrere Sachen gleichzeitig klar: Es ist gleich schon vorbei. In einem Jahr läufst du hier lang. Hier stehen verdammt viele Leute am Rand, die dich anfeuern, als würdest du heute schon einen Marathon laufen. Ich nehme den freudigen Kloß im Hals die nächsten Kilometer mit und trage ihn bis zum Brandenburger Tor. Das Abbiegen auf Unter den Linden, wobei das Brandenburger Tor zum ersten Mal in Sichtweite kommt, ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe: Gigantisch. So viel Freude, Dankbarkeit und Erleichterung auf einmal. Unbeschreiblich. Da ist es auch egal, dass die letzten Meter auf den Pflastersteinen nicht mehr so gut rollen. Was für eine Zielgerade!


Zu den Zahlen: Ich hatte gedacht, den Inline-Marathon unter zwei Stunden zu finishen, wäre schön. Währenddessen hatte ich keinen Überblick über meinen schönsten und konstantesten Marathon: Exakt eine Sekunde war die zweite Hälfte langsamer als die erste. Insgesamt haben die 42,195 Kilometer 1:47:35 Stunden gedauert. Macht einen Schnitt von 23,5 km/h, womit ich fürs allererste Mal inklusive Erkältung definitiv mehr als zufrieden bin.

Und nun? Fest steht: Ich komme wieder. Der Lauf-Startplatz für 2019 ist dank des Finishs beim Berlin-Marathon Inlineskating schon jetzt sicher. Ich möchte aber definitiv nochmal inlineskaten, weil es mir wahnsinnig viel Spaß gemacht hat. Direkt am Vortag muss es nicht sein, Berlin kommt also erst 2020 wieder in Frage. Ansonsten gibt es leider nicht mehr allzu viele Inline-Marathons. Duisburg habe ich auf dem Schirm, die Lieblingsstadt Madrid steht auch weit oben auf der Wunschliste ... Ich fange schon mal an zu sparen und baue auf dem Weg dahin vielleicht den einen oder anderen Inline-Halbmarathon ein.



Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit Rollerblade entstanden. Die Inlineskates wurden mir kostenfrei zur Verfügung gestellt. Vielen lieben Dank!