Dienstag, 16. Oktober 2018
Raceday No. 65 - Münsterland Giro 2018
3. Oktober, Feiertag, traditioneller Münsterland-Giro-Tag. Wir Rheinländer sind ja schnell für Traditionen zu haben: Findet irgendetwas zum dritten Mal statt, ist es Tradition. Zack. Der 13. Münsterland Giro ist also der dritte für mich. Nach meinen Starts 2016 und 2017 bin ich in diesem Jahr wieder dabei. Wieder auf der kurzen Strecke, weil kurz schnell bedeutet und schnell mir Spaß macht. Seit ich bei meinem ersten Start in Münster direkt vierte in der Altersklasse geworden bin, flirte ich ein bisschen mit dem AK-Podium. Blöderweise habe ich bei meinen Überlegungen nicht berücksichtigt, dass ich inzwischen nicht mehr in der AK Frauen, sondern Master 1 bin. Und das ist beim Radfahren nicht unbedingt ein Vorteil.Der Start aus Block A hingegen könnte ein Vorteil sein - wenn man ihn denn nutzen würde. Wer allerdings zu spät kommt und sich hinten einreiht, hat nicht so wahnsinnig viel davon. Wer dann noch so übermütig ist, auf den ersten zehn Kilometern alle Körner zu verpulvern und ganze Gruppen im Alleingang zu überholen - der darf sich nicht wundern, wenn er an der ersten mikroskopisch kleinen Bodenwelle abgehängt wird. Tschüss!
Für die ersten zehn Kilometer verkündet das Garmin einen Schnitt von 39 km/h. Das ist für mich ziemlich flott. Im letzten Jahr konnte ich das gleiche Tempo auf den ersten 30 Kilometern halten - allerdings waren die auch komplett flach und ich wenigstens ansatzweise im Training. Beides kann ich dieses Jahr nicht wirklich behaupten. Trotzdem wäre es ja gelacht, wenn ich nicht wenigstens versuchen würde, schnell zu sein.
Ich versuche es. Wirklich. Aber es geht nicht. Und es tut weh. Und ich kann das heute nicht aushalten. Das ist der Nachteil, wenn du vorne startest und zu langsam bist: Wenn du alle ziehen lassen musst, bist du ziemlich schnell allein. Nicht so gut fürs Ego, nur überholt zu werden und niemanden zu überholen. Und dann 20 Kilometer warten zu müssen, bis die ersten aus Block B vorbei ziehen. Natürlich zu schnell - die sind ja nicht umsonst die Spitze ihrer Startgruppe.
Auf die Berge (ja, Berge! Es heißt Baumberge und nicht Baumhügel!) hatte ich mich tatsächlich gefreut. Ich erinnere mich noch gut, wie magisch das hier oben vor zwei Jahren im Nebel war. Dieses Mal fehlt mir der Zauber, als ich völlig allein kurbele und kurbele und kurbele, um irgendwann mal oben anzukommen. Statt Nebel gibt es heute Sonnenblumen, die von der Sonne ganz traumhaft angeleuchtet werden. Fantastisch. Ich sterbe. Oben lese ich noch drei weitere Berg-Elefanten auf. Wir verbünden uns.
Ich fahre vorne, drei Mann hinter mir. Als ich nach einer Weile merke, dass trotz meiner Zeichen niemand Anstalten macht, mich in der Führung abzulösen, stattdessen hinter mir aber munter geplaudert wird, stelle ich die Arbeit ein. Prompt kommt der Vorschlag, man könnte ja kreiseln. Ach was! Wie innovativ. Leider verfolgen die drei dabei ein anderes System, als ich es kenne: Anstatt dass der erste sich beim Führungswechsel rausfallen lässt und sich hinten wieder einreiht, soll der letzte an allen vorbei fahren und die Spitze übernehmen. Ich boykottiere diese Taktik.
Endlich sind von hinten wieder Geräusche zu hören: Eine weitere Welle aus Block B rauscht heran und spült zufällig Jan mit sich, den ich direkt beim Start verloren hatte. Endlich sind wir eine große Gruppe, endlich nehmen wir ein vernünftiges Tempo auf und endlich kann ich mal kurz in Ruhe atmen - ohne Panik, das Hinterrad vor mir sofort wieder zu verlieren. An einer engen Kurve passiert es natürlich trotzdem - tschüss Jan, tschüss schöne Gruppe!
Eben hat mir netterweise jemand verraten, dass noch ein kleiner Stich auf der bis hier hin wirklich schönen Strecke liegt. Ich male mir die wildesten Anstiege aus, aber in Wahrheit ist es ein recht harmloser Hügel - dieses Mal tatsächlich. Ich will wieder an die Gruppe ran kommen und gebe alles dafür, um die Lücke wieder zu schließen. Ich fürchte fast, dass ich aufgeben muss, als von hinten Unterstützung naht. Wir holen nicht nur auf, sondern rauschen direkt an der Gruppe vorbei, tschüss Jan!
Es geht nur noch geradeaus, die Straße ist breit, wir halten das Tempo hoch. In Münster selbst nehmen die üblichen drei Kurven nochmal Geschwindigkeit raus. Auf einmal habe ich Jan wieder neben mir. Er fährt heute sein erstes Radrennen, hat seit wenigen Monaten überhaupt erst ein Rennrad. Wir hatten vereinbart, nicht zusammen zu fahren, aber jetzt überqueren wir die Ziellinie zufällig auf die Sekunde genau gleichzeitig: Nach 1:54:34 Stunden.
Mit Platz 31 gesamt und 12 in der AK ist das mein bisher schlechtestes Ergebnis in Münster. Dazu mit 34 km/h im Schnitt auch das langsamste Rennen. Nun. Du kannst nicht immer einen super Tag erwischen. Eine weitere Lektion, die mir gar nicht so gut schmeckt: Du kannst auch nichts erwarten, wenn die letzten Wochen mit arbeiten, studieren, krank sein und faul sein verbracht hast, anstatt auf dem Rad zu sitzen. Auch wenn meine Laune an diesem Feiertag gar nicht so feierlich war: Zum traditionellen Abschluss der Rennradsaison schmecken die Nudeln auf dem Münsteraner Schlossplatz auf jeden Fall am besten. Bis zum nächsten Jahr!
Der Startplatz für den Münsterland Giro wurde mir kostenfrei zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!