Montag, 22. Dezember 2014

Wie man spontan ohne es zu ahnen 10 Kilometer läuft

Ich bin 10 Kilometer gelaufen.
Das Ausmaß des ganzen Übels.
Und das kam so. Samstags geht mein Vater zu seinem Lauftreff (ja, und montags und mittwochs, Streber). Ich bin dort mit ihm schon mal 8 Kilometer gelaufen, was ich aber gnadenlos verdrängt hatte. Am Samstag bin ich also mit folgenden Gedanken dort hin gefahren:
  • du läufst sonst immer nur 6 Kilometer
  • du hast Rückenschmerzen
  • du hast eigentlich noch einiges zu tun
  • es regnet. 
Zwischen Kekse backen und Geschenke einpacken hab ich mir die Zeit dann einfach doch genommen, obwohl das Wetter den ganzen Tag schon grau und eklig war, obwohl meine Rückenschmerzen wieder schlimmer geworden sind (ich bin letzten Sonntag vom Pferd gefallen, Freitag war es zum ersten Mal deutlich besser, dann war ich schwimmen und es wurde wieder schlimmer). Da die Schmerzen beim Schwimmen nur in der Seitlage aufgetreten sind und in Bauch- und Rückenlage alles ok war, hab ich mir nicht viel dabei gedacht - laufen tut ja sonst auch nicht weh. Haha.
Papa und ich, vorher kann ich noch lachen.
Zur Strecke: Es gibt verschiedene Gruppen beim Lauftreff und ich sehe da kein System. Alle versammeln sich auf dem Parkplatz am Waldrand und um Punkt 15 Uhr schreit einer "Geht los!", alle teilen sich auf und rennen in verschiedene Richtungen. Das geht immer sehr plötzlich und irgendwie weiß man gar nicht so genau, in welcher Gruppe man jetzt gelandet ist. Alle treffen sich nach einer Stunde wieder am Parkplatz, also müssen die mit den weiteren Strecken auch schneller laufen. Wir wollten 8 Kilometer, was mir im Gegensatz zu 6 schon unfassbar weit vorkam. Gabs aber nicht. Irgendwie sind wir in der 9er-Gruppe gelandet.
Ich mag es, wenn Sachen zusammenpassen: Brooks Ravenna 4 und eine dünne Laufjacke von Nike, deren Name sich gerade absolut nicht googeln lässt.
Ich fasse den Rest jetzt mal kürzer zusammen: der Mensch, der sich den Weg für die 9km-Gruppe überlegt hat, dachte sich wohl sowas wie: "Was sind schon 9, wir laufen 10! Und zwar bergauf!". Es gibt diesen Wald direkt hinter dem Parkplatz, wo alles flach ist. Wo man bis zu einem Baggersee laufen kann, das ist schön. Und es gibt diesen anderen Wald, wo man erst ein Stück durchs Wohngebiet muss und wo es danach ziemlich hügelig ist. Zumindest, wenn man nur Parks in Köln und Düsseldorf gewohnt ist. Und ab und an mal eine Autobahnbrücke.
Ich weiß, Berge sind anders. Aber wenn man sonst nur komplett flach kennt, nervt das schon. Sehr.
Es ging also hoch. In einem Tempo, das für mich flach noch gerade so geht. Keine Ahnung, was die ersten für Ambitionen hatten, die sind auf jeden Fall erst mal davon gerannt. Und ich also so hinterher geschlurft. Rauf, kurz runter, rauf, bisschen runter, lange rauf. Nach 4,5 Kilometern war ich bedient. HF 99%, keine Luft mehr und die ersten (die den Weg kannten) rannten immer noch munter vorneweg. Selbst langsam laufen war nicht drin. Also Gehpause. Atmen. Gehen. Atmen. Gehen. Weiter laufen. Puls sofort wieder am Anschlag. Und dann plötzlich: Ich wusste, wo wir waren. In der Nähe von einem See. Allerdings nicht vom Angermunder Baggerloch, sondern vom Blauen See. In Ratingen. Vom Startpunkt aus ungefähr gefühlt am Ende der Welt. Sehr weit weg vom Auto, vom Heimweg, vom Ende der ganzen Quälerei. Und das hier ist erst die Hälfte der Strecke.
Ich bin durch. Kann nicht mehr. Will nicht mehr. Beschließe, von hier aus jetzt zurück zu gehen, egal wie lange es dauert, einfach nur gehen, bloß nicht mehr laufen. "Lange nichts mehr gemacht, was?" Ja du Scherzkeks, ich bin 2 Wochen nicht gelaufen, das tut aber hier nichts zur Sache, weil ich vorher auch noch nie 5 Kilometer bergauf gerannt bin. Ey. Ich laufe, heule, gehe. Ich will nicht mehr.

Der Rest der Truppe zieht weiter, von 9 Leuten sind nur noch zwei übrig. Mein Vater leistet mir Gesellschaft, während ich wütend auf die ganze Welt und mich selbst die Straße entlang stapfe. Die ist übrigens ein Stück der Triathlon-Radstrecke. Ich sehne mir Gabi herbei. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist der Puls nicht mehr über 100%, auch nicht mehr über 90. Ich weiß nicht warum, eigentlich will ich einfach nur nach Hause gehen, aber ich laufe wieder. Zwei von den anderen, die eben weiter gelaufen sind, haben umgedreht und kommen uns entgegen. Uns abholen. Ich bekomme versprochen, dass es jetzt nur noch bergab geht.
Ziemlich trostlos. Einfach weiterlaufen.
Das stimmt. Eine Frau ist noch dabei, sie meckert genau so viel wie ich. Sie nervt. Ich halte ab jetzt die Klappe. Bis ich feststelle, dass bergab genauso scheiße ist wie bergauf. Zwar nicht für die Kondition, aber für den Rücken. Jeder Schritt verpasst mir einen Schlag. Irgendwie ist gehen jetzt keine Option mehr, der Kopf ist aus, der Rücken schmerzt und wir laufen zurück zum Parkplatz. Ich gucke nicht auf die Uhr, ich will nicht wissen, wie lange wir schon unterwegs sind, wie viele Kilometer das sind und wie hoch der Puls ist. Ich will es nicht wissen und ich laufe einfach, bis es vorbei ist.

Es ist vorbei. Statt blöden Sprüchen bekomme ich jetzt Schokolade angeboten, die will ich aber nicht. Ich will atmen, mir tut alles weh, ich will nach Hause. Stolz könnte ich sein und in die Badewanne soll ich mich legen. Bin ich irgendwie nicht und hab ich keine Zeit für, ich muss schnell duschen und verbringe den Abend auf einem Konzert - stehend (aua).
Ich wusste es nicht. Und jetzt ist der Tag plötzlich da, ganz heimlich.
Am Tag danach schmerzt der Rücken weiterhin, die Hüftgelenke fühlen sich komisch an, die rechte Wade ziept ordentlich, die linke nicht. Ich habe es gehasst, aber ich will es nächste Woche nochmal machen.
Vorher, als ich noch keine Ahnung habe, was auf mich zukommt. Von nachher gibts keine Bilder.